Wertvolle Nebenprodukte als Tierfutter verwerten
Proteinreiche Reste aus Haferdrink für Milchkühe
Wertvolle Nebenprodukte als Tierfutter verwerten
Proteinreiche Reste aus Haferdrink für Milchkühe
Wertvolle Nebenprodukte als Tierfutter verwerten
Proteinreiche Reste aus Haferdrink für Milchkühe
Bei der Herstellung von Hafergetränken fällt als Nebenprodukt ein nährstoffhaltiges Gemisch an. Der Haferbrei ist bei Milcherzeugern oder Biobetrieben als Tierfutter willkommen.
Von Kindesbeinen an waren Milchkühe die Leidenschaft für Andrea Rahn-Farr. Deshalb hat sie nach dem Abitur Agrarwissenschaften studiert. Heute betreibt sie mit ihrem Mann, drei Kindern und fünf Mitarbeitern einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb mit Milchkühen, Jungtieraufzucht, Äckern und Wiesen.
Haferbrei aus der Brauerei
Vor Kurzem gab es etwas Neues auf dem Speisezettel ihrer Kühe und Andrea Rahn-Farr postete es auf der Social Media Plattform LinkedIn. Ihrem Betrieb wurde eine Lieferung "Haferpülpe" von einer Brauerei angeboten. Der Betreiber wollte einen neuen Geschäftsbereich aufbauen und ein Hafergetränk anbieten.
Im Herstellungsprozess der Hafergetränke bleibt ein proteinreicher Haferbrei übrig. Das Nebenprodukt kommt nicht mit in den Haferdrink, sondern landet irgendwo oder geht in die Tierfütterung. Die Kühe von Andrea Rahn-Farr freuten sich über die leckere Mahlzeit. Sicherheitshalber hatte die Landwirtin den Brei probiert, bevor sie ihn an ihre Damen verfütterte. Sie lobt den angenehm süßlichen Geschmack. „Hier wird deutlich, warum man Landwirtschaft als sehr komplexes System denken muss. Selbst bei der Herstellung von veganem Haferdrink landen letztendlich 60% des Urproduktes zur nachhaltigen Verwertung im Futtertrog“, kommentiert der Bayerische Bauernverband in Roth.
Viel Wasser wenig Hafer
Der Experte Jan Gausepohl von Gausepohl Concepts sieht es ähnlich: „Im Haferdrink sind maximal zwischen 20 und 40% des tatsächlichen Hafers drin.“ Hafer wird meist in der Mühle gereinigt sowie entspelzt und geht dann an die Hersteller der Getränke. Beim Unternehmen Peter Kölln aus Elmshorn wurde Hafermilch seit rund 10 Jahren angeboten. In der Produktion wurde dem angelieferten Hafer nach der Zerkleinerung Wasser und Ferment, das die Stärke im Hafer zum Teil zu Zucker abbaut, hinzugefügt. Dann wurden die unlöslichen Bestandteile abgeschieden und übrig blieb die süßlich schmeckende Basis für den Haferdrink. Die wässrige Brühe bekam dank Öl eine weiße Farbe und wurde dann mit weiteren Zutaten je nach Sorte abgeschmeckt, ultrahocherhitzt und verpackt.
„Nur ein Teil der Nährstoffe des Haferkorns landen im Haferdrink“, sagt Jan Gausepohl. So hatte der Haferdrink von Kölln einen Eiweißgehalt von weniger als 1%. Auch für einen Biohaferdrink sind Stabilisatoren ohne Mengenbegrenzungen zugelassen und seit Anfang 2022 ist die Zugabe von Calcium mittels der Alge Lithothamnium calcareum erlaubt. Dennoch sind die pflanzlichen Alternativen zur Milch im Trend. Laut Statista lag der Umsatz 2022 bei 610 Mio. Euro allein in Deutschland.
Verdrängung des Mittelstands
Das Unternehmen Kölln bietet aktuell keinen Haferdrink an. "Bei unserem Haferdrink haben wir festgestellt, dass sich die Anforderungen der Verbraucher:innen verändert haben, so dass wir uns entschieden haben, das Produkt zu überarbeiten und neu aufzusetzen. Dafür war es notwendig, das bisherige Produkt kurzfristig vom Markt zu nehmen. Im Laufe der zweiten Jahreshälfte wird der Relaunch unser Haferdrinks abgeschlossen sein, so dass er wieder in den Supermarktregalen zu finden sein wird", so die Stellungnahme der Presseabteilung.
Auf dem Hof von Andrea Rahn-Farr ging der angelieferte Haferbrei direkt in einen Folienschlauch. Frisch verfüttern kann man ihn nicht, dazu sei er nicht haltbar genug. Deshalb wurde der Haferbrei zwei Wochen siliert, bevor er mit den übrigen Bestandteilen der Futterration den Kühen serviert wurde. Das ist nicht nur geschmacklich für die Kühe ein Genuss, so Andrea Rahn-Farr: „Aus dem Haferkorn wird beim Haferdrink viel Stärke ausgewaschen. Viel Protein verbleibt im Nebenprodukt Haferbrei. Und Proteine brauchen unsere Kühe“, erklärt sie ihren Ankauf.
Futtersuche
Leider ist das Verfüttern des Haferbreis für die Landwirtin keine langfristige Sache geworden, denn die Brauerei hat die Abfüllung wieder eingestellt. Der örtliche Händler für Tierfutter bestätigte ihr, dass der Haferbrei momentan beliebt sei, aber nicht lieferbar. Auch die großen Tierfutterhändler haben keinen Haferbrei von Herstellern der Hafergetränken oder Haferdrinkpulver im Angebot. Am Markt würden derzeit keine größeren Bestände angeboten. Da der Brei vorher siliert werden muss, seien kleinere leicht verderbliche Lieferungen für die Tierfutterhändler nicht attraktiv.
Vor allem für Biobetriebe ist der Haferbrei wertvoll, brauchen sie doch Protein für ihre Milchkühe. Viele Interessierte haben auf den Post von Andrea Rahn-Farr bei LinkedIn regiert. Ein User bedauert, dass wertvolle Proteine aus dem Hafer nicht gleich dem Menschen zugutekommen, sondern erst über einen Umweg - die Kuh.
Sehr kritisch ging die Zeitung The Telegraf Ende 2022 mit einigen Produzenten von Haferdrink um. Das Blatt warf ihnen Heuchelei vor, wenn sie Nebenprodukte der Hafergetränke an Tierhalter verkaufen. Käufer von Milchalternativen würden oft eine vegetarische oder vegane Ernährung präferieren und viele seien gegen die Nutztierhaltung oder das Trennen von Kälbchen und Mutterkuh. Für pflanzliche Drinks zahlen Konsumenten gerne schon mal den doppelten Preis gegenüber herkömmlicher Milch.
Mit zweierlei Maß
Die Hersteller Alpro und Oatly hätten indirekt die Tierhaltung unterstützt, meldete Ende 2022 das renommierte niederländische Het Financieele Dagblad, eine der ältesten Tageszeitungen des Landes. Der Marktführer bei Haferdrink, das Unternehmen Oatly, hätte in Schweden, den Niederlanden, Asien und den Vereinigten Staaten im Jahr 2021 rund 29 Mio. Liter Haferbrei an Landwirte verkauft, das entspräche ca. 36 Prozent seiner Nebenprodukte, so die Tageszeitung. Alpro verkaufte sogar an Milchbauern, die wegen angeblicher Grausamkeit ihrer Melkpraktiken bei Veganern in Verruf sind.
In einer Stellungnahme erklärt Oatly, man habe Zellstoffe als Tierfutter verkauft, aber nicht an Milchkühe: „Unsere Produkte sind so konzipiert, dass sie so viel wie möglich vom Nährwert des Hafers erhalten, aber es ist nicht möglich, jeden Teil des rohen Hafers im Endprodukt zu verwenden, sodass wir mit einem Teil der Haferfaserreste zurückbleiben.“
Prominente Werber
Die „Post-Milch-Generation“ hat bekannte Gesichter. Oatly sponserte in Deutschland die Berlinale und wirbt mit dem Motto „wow, no cow“. Das Unternehmen hat im Jahr 2021 seinen Absatz um 37,8 Prozent gesteigert. „Wenn die Menschen anfangen, weniger tierische Milchprodukte zu konsumieren, gibt es weniger Milchkühe und "Nebenprodukt"-Kälber, die geschlachtet und gegessen werden müssen“, so Oatly auf seiner Homepage.
Investoren bei Oatly waren laut Spiegel u.a. TV-Talkerin Oprah Winfrey, die Schauspielerin Natalie Portmann und der Investmentfonds Blackstone. Das Unternehmen mit Sitz in Malmö ging 2019 an die Börse und sammelte dabei rund 1,2 Mrd. US-Dollar ein. Bis heute war der Aktienkurs des Unternehmens im freien Fall und für die Anleger eher eine Enttäuschung. Eine besonders aggressive Werbung von Oatly über Nachteile der Kuhmilch wurde bereits wegen Irreführung des Verbrauchers verboten.
Sinnvolle Kreislaufwirtschaft nötig
Einige Herstellern von Hafergetränken in Deutschland teilen uns auf Anfrage mit, dass ihre Reststoffe aus der Produktion in die Tierfütterung gehen - andere möchten nichts sagen. Händler, die gerne Reste aus der Getränkeherstellung als Tierfutter abnehmen, kennen das Problem mit dem Haferbrei. Gerade bei kleinen Chargen seien Kühlung und der Transport finanziell aufwendiger. Da lohnt oft nicht der Weg ins Tierfutter, die Reste landen auf dem Acker.
„Leute sollen Milch trinken und keine Nachbauprodukte. Aber wenn sie die pflanzlichen Alternativen trinken, dann ist es sinnvoll, dass die Nebenprodukte bestmöglich verwendet werden. Im Sinne der Nährstoffkreisläufe ist die Verfütterung sinnvoll“, so Andrea Rahn-Farr. Tiere verwandeln Restströme aus der Lebensmittelindustrie und Pflanzenproduktion schon seit Generationen in hochwertige Proteine. Das sollte so mit Käufern auch ideologiefrei kommuniziert werden.
Wer behauptet keine Rohstoffe, die sonst von Menschen konsumiert würden, für die Tierhaltung zu nutzen und es dann doch tut, schadet der Branche. Es ist unglaubwürdig, wenn Unternehmen ihre Produkte als umweltfreundlich oder nachhaltig anpreisen ohne belastbaren Angaben über die Verwertung der wertvollen Nährstoffe in den Reststoffen. Auch wer behauptet Haferdrink habe gegenüber Kuhmilch eine bessere Umweltbilanz muss den Aspekt der Verwertung der Proteine in den Haferreste bei der Rechnung mitdenken. Landen Reste sogar in Biogasanlagen oder auf dem Feld, führt das die Hafergetränke ad absurdum.
Haferdrink und Blutzucker
Das Buch "Der Glukosetrick" von Jessie Inchauspé ist in den USA der Renner und erobert gerade die Bestsellerlisten in Europa. Ein neuer Ernährungstrend und ein Abgesang auf Haferdrink. Die französische Biochemikerin Jessie Inchauspé erklärt in ihrem Buch, welche Funktion Insulin im menschlichen Körper hat. Vor allem Kohlenhydrate spielen in der Ernährung eine besondere Rolle, so die Autorin, da sie den Blutzuckerspiegel beeinflussen.
Bei ihrer Ernährungstheorie greift die Autorin auf eigene Erfahrungen zurück. Sie war selbst schwer erkrankt und musste sich in dieser Zeit intensiv mit ihrer Ernährung auseinandersetzen. Als sie ihren Blutzucker regelmäßig kontrollierte, entdeckte sie eine Korrelation zwischen den Blutzuckerspitzen und der Stärke ihrer Krankheitssymptome. „Ich habe erkannt, dass sich meine psychische Gesundheit verbessert, wenn ich die Spitzen vermeide“, erinnert sich die Autorin.
Jessie Inchauspé geht in ihrem Buch auch auf das Thema Haferdrink ein und hat mit ihrer These dazu bereits für einige Aufregung gesorgt. Haferdrink sei zwar eine gute Alternative zu herkömmlicher Milch für Menschen mit Laktoseintoleranz und sei in der Regel fettärmer als Kuhmilch, so die Biochemikerin, aber Haferdrink und vor allem Sorten mit zugesetztem Zucker können die Insulinreaktion im Körper negativ beeinflussen: „Im Vergleich zu Kuhmilch bewirkt Haferdrink bei den meisten Menschen einen hohen Glukosesspitze“. Die Autorin empfiehlt zu verzichten oder beim Kauf auf zuckerarme Varianten zu achten.
Wenn Kohlenhydrate im Körper zu Zucker umgewandelt werden, steigt der Blutzuckerspiegel an, und der Körper produziert Insulin, um den Zucker aus dem Blut in die Zellen zu transportieren. Wenn dies über einen längeren Zeitraum hinweg geschieht, kann dies dazu führen, dass die Zellen im Körper gegenüber Insulin resistent werden. Eine gestörte Insulinreaktion im Körper kann zu Übergewicht, Diabetes und Herzkreislauf-Erkrankungen führen.
Low Carb vs. High Carb
Ob der Glukosetrick ein Trend wird, bleicht abzuwarten. Wir verfolgen bis dahin erstmal die Diät des Weltbäckers Axel Schmitt. Der Bäckermeister macht gerade eine Brotdiät. Er setzt auf gutes Brot und langkettige Kohlehydrate, um abzunehmen. Er hält nichts von Low Carb Diäten und will beweisen, dass Menschen durch Brot nicht dick werden, im Gegenteil. Diese Kohlehydrate sind Teil einer gesunden Ernährung.
Zusammen mit der Ökotrophologin und Ernährungsexpertin Dr. Bergmann will er mit dem Mythos aufräumen, dass Diäten nur ohne Kohlenhydrate wirken. Bis Mitte April sollen 10 Kilos purzeln und seinen Körper noch mehr in Form bringen. Wir trafen ihn Ende März, da hatte er bereits 9,5 Kilogramm ohne Hungern abgenommen. Er sprühte vor Energie und ist jetzt gespannt, ob er seine Wette gewinnt. Wir bleiben dran und folgen seiner Diät und den Brotrezepten zum Abnehmen auf seiner Homepage Bäckerei-Schmitt.de oder Instagram @axelschmitt_brotsommelier.
Jessie Inchauspé, "Der Glukose-Trick: Schluss mit Heißhunger, schlechter Haut und Stimmungstiefs - Wie man der Achterbahn des Blutzuckerspiegels entkommt", Wilhelm Heyne Verlag München 2022