Herausforderungen gemeinsam begegnen
Getreide-Tagung 2025 der Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung
Herausforderungen gemeinsam begegnen
Getreide-Tagung 2025 der Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung
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Herausforderungen gemeinsam begegnen
Getreide-Tagung 2025 der Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung
Landwirte, Züchter, Vertreter aus Forschungseinrichtungen und Ministerien, Müller, Händler, Backzutatenhersteller und Bäcker – nur selten trifft man die Vertreter der Wertschöpfungskette Getreide so kompakt wie auf der alle zwei Jahre stattfindenden Getreide-Tagung in Detmold.
Der Vortragssaal des Roemer-Hauses war von Beginn an mit etwa 120 Personen gut gefüllt, als Lorenz Hartl, Vorsitzender des AGF-Getreideausschusses, die Teilnehmenden begrüßte. Die Themen seien vielfältig und das Ziel der Tagung, die „Akteure der Kette zusammenzubringen, um den Markt zu bewegen” herausfordernd.
Dass Klimawandel und Einschränkungen bei der Düngung die Produktion von Qualitätsweizen erschweren, betonte Luisa Rölke vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Sie stellte den aktuellen Stand der Backweizen-Initiative vor. Dieser Zusammenschluss von 15 Verbänden, Institutionen und Ministerien aus der Wertschöpfungskette hat sich zum Ziel gesetzt, durch weniger Einsatz von Stickstoffdünger bei der Herstellung von Backweizen THG-Emissionen einzusparen und die Verarbeitung von Getreide mit geringerem Rohproteingehalt zu forcieren. Dazu erfolgt die Forschung und Entwicklung alternativer Qualitätskriterien in Ergänzung zum Rohproteingehalt.
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Für Til Feike vom Julius-Kühn-Institut können proteinnutzungseffiziente Sorten, die bei geringerem Rohproteingehalt dennoch ein hohes Backvolumen erzielen, ein möglicher Schlüssel sein, um den Backweizen klimaschonender und gleichzeitig effizient zu produzieren. Anhand von Ergebnissen aus landesweiten Sortenversuchen stellte er dar, dass es diese Sorten durchaus gibt und ihr Einsatz gesteigert werden kann. In der Züchtung sollten diese, bisher eher „vernachlässigten” Sorten gefördert werden.
Sicherung der Anbauflächen
Guido Seedler vom Deutschen Raiffeisenverband zeigte mit seinem Marktüberblick, dass nicht nur Klimawandel und Düngemittelbeschränkung, sondern auch sinkende Anbauflächen durch Flächenkonkurrenz zu Ertragsrückgängen beim Weizen geführt haben. Dazu kommen Störungen im internationalen Weizenhandel und sinkende Endbestände weltweit. 2024/25 drohe rein rechnerisch ein Defizit in der deutschen Weizenerzeugung. Seedler betonte, dass Deutschland seine führende Position bei der Erzeugung von hochqualitativen Backweizen zunehmend verliert. „Wir müssen nachhaltiger mehr produzieren”, um am Markt bestehen zu können.
Die Stickstoffnutzungseffizienz kann wesentlich durch die Bodenfruchtbarkeit beeinflusst werden. Dies erläuterte Prof. Dr. Conrad Wiermann von der Fachhochschule Kiel. Ein kontinuierliches Porensystem mit zugänglichen Wasser- und Nährstoffspeichern kann durch geeignete Bodenbearbeitungsstrategien, organische Düngung und vielfältige Fruchtfolgen erreicht werden.
Holger Fechner stellte Ergebnisse aus Landessortenversuchen der Landwirtschaftskammer NRW vor. Es wurden in zwei Jahren und an drei Standorten (5 Versuche) im LSV Winterweizen die einzelnen Sorten bei einem optimalen und einem reduzierten N-Düngeangebot (70%) verglichen. Ein signifikanter Rückgang des Kornertrages und des Rohproteingehaltes wurde festgestellt. Allerdings konnten Sorten identifiziert werden, die unabhängig von der Stickstoffgabe hohe Erträge und Proteingehalte lieferten und somit als besonders N-effizient charakterisiert werden können.
Aufmischeffekte nutzen
Auch in Niedersachsen wurden langjährige Stickstoff-Steigerungs-Versuche beim Winterweizen durchgeführt. Carsten Grupe präsentierte die Ergebnisse. Hier sanken Erträge und Rohproteingehalte ebenso, der Einfluss von Witterungsextremen nahm zu. Grupe wies insbesondere auch auf die Kombinationseignung von Weizensorten hin, um gewünschte Backvolumina zu erreichen.
Für Bayern stellte Dr. Lorenz Hartl Versuchsergebnisse mit drei Düngungsstufen vor. Er benannte Sorten, mit denen sich bei geringen Rohproteingehalten gute Backqualitäten erzielen lassen, sodass Handel und Verwendung auch unter der 13%-Schwelle gerechtfertigt erscheint. Sortenreine oder gezielt mit der Mühle abgestimmte Handelspartien bieten Potenzial, den Qualitätsweizen effektiver zu nutzen und ggf. die Anforderungen an den Rohproteingehalt zu senken. Entscheidend sei aber die kostendeckende Bezahlung der einzelnen Maßnahmen.
Vorbild Dänemark
Wibke Christel vom Dänischen Ministerium für Grünen Wandel erörterte schließlich online zugeschaltet den dänischen Weg im Nährstoffmanagement. Alle landwirtschaftlichen Betriebe müssen hier eine „Düngeerklärung” zur Höhe ihres Stickstoffeinsatzes abgeben. Festgelegte Stickstoffdüngenormen werden vergeben, für Brotweizen ist diese höher als für Futterweizen. Um die Brotweizennorm zu erfüllen, muss ein Vertrag über den Anbau und die Lieferung von Weizen für die Brotherstellung nachgewiesen werden. Dänemark hat durch diese und andere Maßnahmen erreicht, dass kaum noch statistisch signifikant steigende Nitratkonzentrationen nachgewiesen werden. Erträge und Qualitäten in verschiedenen Getreidekulturen haben nicht abgenommen.
Es gibt schon vielfältige Ansätze in der Branche im Bereich Nachhaltigkeit. Norbert Lötz (Harry Brot) und Konstanze Fritzsch (BiGu-Mühlengruppe) stellten nicht nur das gemeinsame Projekt mit dem Düngemittelhersteller Yara zur Reduzierung des CO2-Fußabdruckes (s. M+M 24/2024, S ...) vor, sondern erläuterten auch ein zweites Projekt, das sich auf die Reduktion des Klebers bezieht. Durch eine gezielte Sortenevaluierung und -zusammenstellung sollen die langjährig gewohnten Anforderungen an die Höhe des Mehlklebers Stück für Stück abgesenkt werden. Sortenkombinationen könnten dann die Produktqualität sichern und den CO2-Fußabdruck senken. Herausforderungen wie Auslobung und Kostendeckung bleiben bestehen.
Michael Haag, ebenfalls von der BiGu-Mühlengruppe, sprach zu Mehl-Anforderungen. Die Wahl der richtigen Mehlqualität ist wichtig für das Gelingen von Backwaren. Auch bei Mehl, das den üblichen Spezifikationen entspricht, kommt es aber zu Reklamationen. Der Herstellungsprozess sollte daher mehr in die Überlegungen mit einbezogen werden, da die unterschiedlichsten Endprodukte verschiedene Anforderungen an das Mehl haben. Die Kenntnis der geforderten Endprodukteigenschaften sollte schon im Vorfeld bei der Zusammenarbeit mit dem Landwirt Beachtung finden. Neue Spezifikationen werden so möglich.
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Dass das Mehl zum Prozess passen muss, stellte auch Christian Scherpel von Malzers Backstube dar. Für die Herstellung von hochwertigen, langzeitgeführten Brötchen bei Handwerksbäckern sei es entscheidend, ein Mehl zu verwenden, bei dem Kleberqualität und -menge optimal mit den Ruhezeiten, den Teigführungsbedingungen und den gewünschten Endprodukteigenschaften harmonieren. Eine falsche Mehlauswahl könne zu erheblichen Qualitätseinbußen führen, da der Teig den Ansprüchen der Langzeitführung nicht genügt. Der Austausch zwischen Mühle und Bäckerei ist hier entscheidend.
Schnellmethoden, Züchtung und Praxisbeispiele
Im Themenbereich Initiativen und Qualitätssicherung im Erfassungshandel stellte Zaur Jumshudzade das Programm CO2NSERVE von BAT Agrar dar, das Landwirten und Unternehmen THG-Optimierungsmöglichkeiten aufzeigt. Martin Chambert-Loix von Inarix erläuterte die Möglichkeit der Sortenerkennung bei Gerste und Weizen mithilfe von Fototechnologie und KI. Johannes Busch von Evonik präsentierte die Methode AMINONIR® für eine zuverlässige Analytik der funktionalen und ernährungsphysiologisch wichtigen Inhaltsstoffe von Getreide. Mit Partnern der Mühlen- und Backindustrie können hiermit neue Ansätze und Chancen für die Vorhersage der Backqualität und andere Qualitätsmerkmale erarbeitet werden. Thomas Kunte beschrieb schließlich die Ergebnisse von Qualitätsuntersuchungen bei Ireks. Er betonte, dass manche Prozesse hohe Feuchtklebergehalte erfordern, die Sortenwahl wichtiger wird und Ascorbinsäure- und Enzymbehandlung helfen können, schwache Qualitäten zu verbessern. Eine klare Trennung von Rohstoffströmen und die Kommunikation entlang der gesamten Wertschöpfungskette seien wesentlich, um nachhaltiger anbauen zu können.
Die Rahmenbedingungen und Herausforderungen auf Seiten der Züchtung stellte Hubert Kempf von Secobra Saatzucht dar. Derzeit wird die Einstufung der Backqualität mittels nur einer Standardsorte für Qualität kritisch diskutiert, da auch Umweltbedingungen beachtet werden müssen. Als Lösungsmöglichkeit wurde die Einstufung mittels LS-Means-Methode (Grundlage das Backvolumen aller zugelassenen Sorten) vorgeschlagen. Jahreseffekte einer Sorte könnten damit besser abgepuffert werden.
Der letzte Vortrag der Getreide-Tagung zeigte ein erfolgreiches Beispielprojekt, das die gesamte Wertschöpfungskette einbezieht. In der Initiative „Wasserschutzweizen” verzichten Landwirte in Bayern beim Weizenanbau auf die Qualitätsdüngung. Das Getreide wird getrennt von konventionellem Weizen in regionalen Mühlen vermahlen und wiederum an regionale Bäckereien weitergegeben. Das Projekt mit der übergeordneten Zielsetzung Grundwasserschutz wurde mit der Praxis entwickelt, hat feste Kriterien und beinhaltet ein Marketingkonzept für regional erzeugtes Backgetreide mit vermindertem Stickstoffeinsatz. Es soll in Zukunft auch auf Hafer ausgeweitet werden.
Die Getreide-Tagung bietet eine einzigartige Plattform für Experten aus den Bereichen Züchtung, Anbau, Analytik und Verarbeitung von Getreide, um aktuelle Erkenntnisse und Innovationen zu teilen. So wurde am Ende viel diskutiert, wertvolle Kontakte wurden geknüpft und das gemeinsame Verständnis für komplexe Zusammenhänge gefördert – die Grundlage, um Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit zu finden.
