Fettgebäck nicht nur im Karneval ein kulinarischer Genuss
Berliner oder Kreppel - Schmalzgebäck in der Fastnacht
Fettgebäck nicht nur im Karneval ein kulinarischer Genuss
Berliner oder Kreppel - Schmalzgebäck in der Fastnacht
Fettgebäck nicht nur im Karneval ein kulinarischer Genuss
Berliner oder Kreppel - Schmalzgebäck in der Fastnacht
Wer bei Siedegebäcken lediglich an den flaumigen, goldgelben, mit Konfitüre gefüllten und mit Staubzucker bestreuten Berliner denkt, der irrt. Denn wirft man einen Blick in historische und neue Kochbücher, so findet man darin regional unterschiedliche Fettgebäcke mit so eigentümlich klingenden Namen wie Ausgezogene, Schneeballen, Zuckerstrauben oder Mutzenmandeln.
Die früher als Schmalzgebäcke bezeichneten Backwerke haben eine lange Tradition haben, lässt sich anhand alter Backanweisungen bestätigen. Wurden diese zunächst noch vielfach unter dem vergleichsweise neutralen Sammelbegriff „ein pachens“ zusammengefasst, so differenzierten sich die Backwerke zunehmend in ihrer Bezeichnung sowie in ihrer Formenfülle: Sie erschienen langgezogen, rautenförmig oder gebogen. Sie konnten eine kugelförmige Ballenform haben oder platt gepresst sein wie eine Flunder, mit glatten oder gezackten Rändern versehen, gefüllt oder ungefüllt.
Fastnachts-Geschichte(n) zum Anbeißen
Bei flüssigem Teig verwendete die Hausfrau ein Formeisen, festen Teig dagegen formte sie mit der Hand. Angesichts solcher Vielfalt lässt sich hier sicherlich die volkskundliche Regel anwenden, die besagt, dass eine Erscheinung umso älter ist, je vielgestaltiger und formenreicher sie ist.
Fastnachtszeit für Schmalzgebäcke
All diesen schwimmend in Fett ausgebackenen Backwerken gemeinsam ist, dass sie zum Großteil saisonal an die Fastnacht gebunden sind. Daraus ergibt sich die Grundsatzfrage, warum es nun gerade Siedegebäcke sind, die das kulinarische Bild der närrischen Tage prägen. Dass es diese enge Verbindung zwischen Fettgebackenem und der Fastnacht gibt, ist jedenfalls unzweifelhaft. Das belegt beispielsweise die volkstümliche Redewendung: „Ihm geht's nicht um die Fasnacht, ihm geht's um die Küchle“ oder abergläubische Vorstellungen wie „Wer an Fasnacht keine Küchle backt, kann das Jahr über nicht froh werden“. In ähnlicher Weise auf das leibliche Wohl bedacht ist der im schwäbisch-alemannischen Raum bekannte Kinderreim: „Luschtig isch de Fasenacht, wenn mei Mueder Küchli bacht“ und weiter: „Wenn sie aber koane bacht, noh pfeif i’ auf de Fasenacht.“
Dass es zur Fastnacht vor allem Schmalzgebackenes gab, hatte durchaus auch praktische Gründe. Die Fastnacht als Vorabend der Fastenzeit stand für den nahenden radikalen Einschnitt in die alltäglichen Speisegewohnheiten. Der Konsum von Fleisch war in der sechswöchigen Fastenzeit untersagt, aber auch der Genuss von Nahrungsmitteln aus der Großvieh- und Geflügelhaltung, beispielsweise Schmalz, Fett, Milch, Butter, Käse und Eier. Da Fettes zu essen früher gleichbedeutend war mit gut und üppig zu essen, empfahl sich der Verzehr von fettreichen Speisen ebenso wie von Schmalzgebäcken, zumal die entsprechenden Vorräte ja auch aufgebraucht werden mussten.
Tage der schmalen Kost
Volkstümliche Redensarten wissen, dass die Fastnacht früher neben Ostern und Weihnachten die Zeit des reichlichsten Essens war. „Wenn nur Fasnacht in meiner Küche ist“, heißt es da, oder „an der Fasnacht soll man so oft essen, wie der Hund mit dem Schwanz wedelt“. Daraus folgt, dass Redewendungen wie „Viel essen und trinken an Fasnacht soll man, um ‚Fülle‘ zu erhalten“ eben durchaus wörtlich zu nehmen sind. Davon einmal abgesehen, schrieb der volkstümliche Glaube in früheren Jahrhunderten dem Fett − aber Küchlefett musste es sein – offenbar auch eine besondere Fruchtbarkeitswirkung zu. Wachstumsfördernd sollte es sein, ja sogar Heil- und Abwehrkräfte sollte es haben und so schmierte man noch bis ins 19. Jahrhundert ab und an auch Fuhrwagen und das Joch der Zugtiere damit ein. Selbst Hühner und Marder erhielten ihr Fett weg − Hühner, damit sie legten, Marder und Füchse, damit sie eben nicht erlegten! Jedenfalls weiß ein Nachschlagewerk des 19. Jahrhunderts zu Bräuchen in Schwaben zu berichten, dass man Füchsen ein Fastnachtsküchle im Gebüsch versteckte, um sie von den Hühnern abzulenken.
Zwischen Völlerei und Darben
Vor allem in der häufig milchreichen, aber getreidearmen Bergbauernwirtschaft waren Milch, Butter und Schmalz in der Regel reichlich verfügbar, und so wundert es nicht, dass diese in Form von in Schmalz ausgebackenen, eierhaltigen Fastnachtsküchlein verwertet worden sind. Nach und nach entstand ein großes, landschaftlich verschiedenes Repertoire an Fastnachtsgebäcken, die gerne in öffentlichen Gelagen gegessen oder verschenkt wurden.
Bis ins späte Mittelalter billigte die Kirche solche Völlerei vor den Fasten- und Bußwochen. Als aber die öffentlichen Gelage überhandnahmen und die Sitten allzu derb wurden, begann so mancher Kirchenvertreter die Unmäßigkeiten mit sehr gemischten Gefühlen zu betrachten. Aber was half es, dass der wortgewaltige Augustinerprediger Abraham a Sancta Clara am Fastnachtssonntag des Jahres 1676 in der Kirche fast schon bühnentauglich donnerte: „Heut ist ein Festtag und ein Freßtag.“ Geahnt hatten das schon viele vor ihm! Knapp 80 Jahre zuvor war beispielsweise der Pfarrherr von Litzelstein, Heinrich Vogel, beim Gedanken an die Schmalzpfannen in heiligen Zorn geraten und hatte gegen das „Küchlein backen / Strauben /[...] und wie sie mehr heißen“ als ein „antichristlicher greul“ gewettert, das er gar als „Teuffels dreck“ anprangerte.
Fettgebackene Vielfalt
Die genannten „Küchlein“ und „Strauben“, wie überhaupt die im Laufe der Zeit entstandene breite Palette an Fettgebäcken, verdienen eine nähere Betrachtung. Da wären beispielsweise die ausgezogenen Küchle, auch „Spiegelkrapfen“, „Fensterküchle“, „Knieküchle“ oder einfach nur „Ausgezogene“ genannt, die uns Fastnacht bis heute in vielen Bäckereien und Konditoreien begegnen. Es sind flache, runde Hefeteigstücke, die früher von der Hausfrau mit der Hand übers bloße Knie gelegt und hauchdünn ausgezogen wurden. Beim Ausbacken bildete sich dadurch ein heller durchscheinender „Spiegel“ in der Mitte, der ringsherum von einem rund drei Centimeter hohen, braunen wulstigen Rand umgeben war. Das galt früher zu Recht als hohe Backkunst, die einer Hausfrau Ehre einbrachte. Damit die Hygiene nicht zu kurz kam, riet man in alten Kochbüchern schon einmal, sich zuvor eine weiße Schürze umzubinden oder ein reines Tuch übers Knie zu breiten.
In der Regel waren solche traditionsreichen Backwerke nicht nur als Fastnachtsgebäck beliebt. Vor allem in der Erntezeit und zu hohen Festtagen, wie etwa zur Kirchweih, wurden sie im ländlichen bayerischen Raum gerne auch als kraftspendende und sättigende Mahlzeit verzehrt.
Die verfeinerte städtische Abart dagegen, die unsere Vorstellung der Fettgebäcke prägt, tauchte tatsächlich erst seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verstärkt auf und unterschied sich beträchtlich von den rustikaleren Artgenossen. Nicht nur, dass solche Gebäcke wie beispielsweise der Wiener Faschingskrapfen beziehungsweise der Berliner aus feinstem Weizenmehl, Milch, Butter, Eidotter und Zucker hergestellt sowie mit Konfitüre gefüllt waren. Nein, es galt auch die Regel: Je kleiner, desto feiner! Zu diesen besonders zarten, kleinen Backwerken gehören auch die Rheinischen Mutzenmandeln aus süßem Mürbteig ohne Hefe, dafür mit reichlich Eiern und Zucker, Mandeln, Rum und Rosenwasser. Exklusive Zutaten, die seinerzeit auch ihren Preis hatten. Die mit Hilfe von zwei Teelöffeln mandelförmig ausgestochenen Gebäckstücke werden in siedendem Fett goldbraun ausgebacken. Anschließend werden sie in Puderzucker oder Streuzucker gewendet.
Ähnlich exquisit sind die in Südbaden und im Schweizer Nachbarland mit Sauerrahm hergestellten, mürben „Scherben“. Der dünn ausgerollte Teig wird zu verschobenen Vierecken ausgewellt, mit einer Gabel „gestupft“ und dann schwimmend in heißem Fett ausgebacken. Vor dem Servieren wird das stark aufgeblähte Backwerk mit Zucker und Zimt bestreut.
Als bodenständige Erwiderung auf solche feinen Schmalzgebäcke könnte man die haushälterische Nutzung des abtropfenden Küchlefettes verstehen. Von der alltäglichen Sparsamkeit früherer Generationen zeugt beispielsweise, was die bekannteste Köchin und Kochbuchautorin des Schwabenlandes, Friederike Luise Löffler (1744–1805), hinsichtlich der „Fasnachtsküchla“ notierte: „Dann leg sie einen Augenblick auf Brotschnitten zum Ablaufen.“ Die so getränkten Schwarzbrotscheiben wurden als Einlage für eine Suppe genutzt. Weniger haushälterisch hantierte dagegen Katharina Prato, die mit ihrem „Süddeutschen Kochbuch“ seit 1858 einen Besteller in immer neuen Auflagen gelandet hatte. Sie ließ ihre Schmalzgebäcke damals schon auf „Löschpapier“ abtropfen.
Strauben, Strieble oder Striewli
Nach weiteren Schmalzgebäcken mit kuriosen Namen und eigentümlicher Form muss man nicht lange suchen. Zu nennen wären beispielsweise die regional unterschiedlich als Strauben, Strieble oder Striewli bezeichneten mürben, brüchigen Faschingsgebäcke, die vor allem in Süddeutschland und im Alpenraum in der Fastnachts- und Fastenzeit beliebt waren. Zur Herstellung dieses bereits im Mittelalter bekannten Backwerks benötigte man eine Straubenpfanne (Schmalzpfanne) und einen Straubentrichter, durch den man die fertige Teigmasse mit kreisenden Bewegungen bandartig in das heiße Schmalz einlaufen ließ. So entstand ein Gebäck mit einem Gewirr von Teigschlaufen. Jenes „klein blechen Trechterlein, dadurch man strauben becht“ beschrieb man schon 1506 als ein unerlässliches Backutensil. Gelegentlich nahm und nimmt man zum Eingießen des Teigs in das Schmalz statt eines Straubentrichters aber auch eine Schnabelkanne, ein Sieb oder einen Spritzsack. Der Ursprung des Wortes liegt vermutlich im alemannischen „straub“ für „kraus, rauh“ oder in „straube“ für „Schraube, gewundene Linie“. Diese letzte Deutung dürfte in Anbetracht der Spiralform des Gebäcks wohl die passende sein.
Ein wichtiges Datum für die Straubengeschichte ist das Jahr 1090. Damals fand sich für den süddeutschen Raum urkundlich der Hinweis auf „ein Nahrungsmittel, allgemein struua genannt“. Demzufolge wären die Strauben also über 900 Jahre alt, was als Alter für ein Gebäck wahrlich kein schlechter Rekord ist.
Als Festtagsgebäck waren die Strauben besonders in Klöstern sehr geschätzt. Allerdings schlug seinerzeit der teure Rohrzucker hoch zu Buche, sodass sich die einfache Bevölkerung das Backwerk nicht leisten konnte. Immerhin kostete ein Pfund Zucker im 15. Jahrhundert etwa so viel wie drei Spanferkel. Die genannten Fastnachtsküchle wurden nicht nur selber verzehrt, sondern gerne auch verschenkt, etwa an die Geistlichkeit aus der Umgebung, an die Dienstleute eines Klosters, an die städtische Obrigkeit oder an die Narren selbst. Begehrt war das mürbe Backwerk aus Mehl, Eiern, Milch, Salz und Zucker über die Jahrhunderte hinweg auch als exklusives Festtagsgebäck, das auch in gehobenen weltlichen Kreisen zunehmend beliebter wurde. Das Gebäck schmeckte gut, war schnell herzustellen und erforderte keine besondere Vorratshaltung. So war es vor allem in Österreich und im Süden Deutschlands nicht nur als Fastnachtsgebäck beliebt, sondern auch als häusliches Kaffeegebäck. Vor allem im 19. Jahrhundert gibt es dazu reichlich Belege. So bezeichnete etwa der badische Heimatschriftsteller Heinrich Hansjakob (1837–1916) die Strauben als „das feinste Mehl- und Schmalzgebäck einer alemannischen Bauernküche“.
Auf die Füllung kommt es an
Dass Schmalzgebäcke eine lange Tradition haben, lässt sich also hinlänglich belegen. Auch Füllungen gab es in der Krapfenküche bereits früh. Der redegewandte Bußprediger Berthold von Regensburg beispielsweise muss um 1250 gefüllte Krapfen gekannt haben, bezeichnete er sie doch in einer Predigt als Gegenbild zu einem maßvoll lebenden Menschen, der eben „ze allen ziten niht vol ist als ein krapfe“. Auch im ältesten bekannten deutschen Kochbuch, dem Würzburger „Buch von guter spise“ aus dem Jahre 1350, spricht man bereits von einem Gemenge aus gewürfelten und gewürzten Äpfeln, die in den Krapfen eingefüllt wurden.
Im ausgehenden 16. Jahrhundert fehlte es ebenfalls nicht an Rezepten von „Krapfen oder gefüllten Oblaten“ mit Apfel- oder Marmeladenfüllungen nach Wahl, beispielsweise Kirsch-, Himbeer- oder Hagebuttenmarmelade. Diese wurden in die Mitte einer Backoblate gestrichen, mit einer zweiten Oblate bedeckt und in einen Ausbackteig aus Mehl, Weißwein und Ei getaucht. Zum Schluss wurden die Krapfen schwimmend in heißem Fett ausgebacken. Aber nicht nur Marmelade, auch Äpfel und Birnen, Spinat, Salbeiblätter oder gar Veilchen konnten als Füllmasse herangezogen werden.
Die Wiener Faschingskrapfen
Einen Höhepunkt erlebte die Verfeinerung durch eine Marmeladenfüllung in der Zeit des Barock. Hierbei kommt nun verstärkt Wien ins Spiel. Bis dahin sollte man bei den traditionsreichen Schmalzgebäcken noch nicht gleich an die verfeinerten zarten Krapfen denken, sondern eher an einfache, bodenständige Schmalzgebäcke der bäuerlichen Küche, seien sie nun süß oder ungesüßt und zum Teil mit Kraut oder Fleisch gefüllt. Eine typische Alltags- und Festtagsspeise aus weniger feinem Mehl, Milch, Eiern und Hefe, die nahrhaft war und als ebenso kraftspendende wie sättigende Nahrung der Bergbauern galt. Der geflügelte Lehrspruch in Österreich hieß denn auch: „Sparen mußt beim Mehl, nicht beim Schmalz!“, da selbst stark fettige Speisen bei der harten körperlichen Arbeit durchaus noch verträglich waren. Aber auch runde, ballförmige Krapfen wurden bereits im Mittelalter in den Städten, vor allem im Wien, in öffentlichen Schmalzkochereien gewerbsmäßig hergestellt. Immerhin ernährte sich in Wien seit dem 15. Jahrhundert ein ganzer Berufsstand – die Krapfenbäcker – davon.
Die Spätstufe der Krapfen, nämlich die verfeinerte städtische Abart des Wiener Faschingskrapfens tauchte erst seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verstärkt auf und unterschied sich beträchtlich von den rustikaleren Artgenossen. Nicht nur, dass der Wiener Faschingskrapfen aus feinstem Weizenmehl, Milch, Butter, Eidotter und Zucker hergestellt sowie mit Konfitüre gefüllt war, nein, es galt auch hier die Regel: Je kleiner, desto feiner. Darüber hinaus war er exakt rund geformt. Und nicht zu vergessen der typische rundherum tadellose helle „Kragen“ oder, wie der Österreicher sagt, das „Ranftl“ (= Rand, Ring). „Die Krapfen müssen nämlich so leicht sein, daß sie nicht die Hälfte in das heiße Schmalz sinken, und hierdurch das weiße Ränftchen erhalten“, schrieb einst ein Meisterkoch und Kochbuchautor des frühen 19. Jahrhunderts, F. G. Zenker.
Beim Hofball, bei großen Festen, in den Salons und an den gehobenen Tafeln ließ man das Backwerk servieren und es fand begeisterte Aufnahme! Ab 1787 waren in der „Wiener Zeitung“ laufend und gleich seitenweise Annoncen für gefüllte oder ungefüllte Faschingskrapfen zu finden. Vielfach konnte man sogar die Art der Füllung wählen. Die bekannten Preisangaben belegen aber auch, dass das Gebäck nicht eben billig war. Musste man 1786 noch zwei Kreuzer für einen gefüllten Krapfen hinlegen, waren es drei Jahre später bereits drei bis vier Kreuzer und 1806 gar vier bis acht. Zum Vergleich: Für zehn bis zwölf Kreuzer, also rund ein Drittel mehr, bekam man um 1800 ein mehrgängiges Mittagessen.
Dessen ungeachtet wurden die gefüllten Krapfen auf den Straßen Wiens überall zum Verkauf angeboten. Allein im Kongressjahr 1815 verzehrte man in Wien beinahe 10 Millionen Krapfen, die überall auf den Straßen zu kaufen waren. Diese gewaltig wirkende Zahl erscheint vorstellbarer, wenn man sich klarmacht, dass Wien – mit den zum Verwaltungsbereich gehörenden Vorstädten – damals rund 238 000 Einwohner zählt. Damit war sie nach London und Paris die drittgrößte Stadt Europas. Gemäß dieser Aufschlüsselung dürfte jeder Bürger in den rund drei „närrischen“ Monaten – der Fasching beginnt in Wien im Januar nach dem Dreikönigstag und endet genau wie bei uns am Aschermittwoch – etwa 42 Krapfen gegessen haben. Also jeden zweiten Tag einen!
So dürfte es auf die Frage nach dem Ursprung des Krapfens für einen Österreicher nur eine Antwort geben: eben Wien. Zumal es noch jene bekannte (Märchen-)Geschichte von der legendären Wiener Köchin Cäcilie Krapf gibt, die um 1615 erstmals den später nach ihr benannten Krapfen gebacken haben soll.
Pfannkuchen in Berlin
Zum Schluss bleibt noch die Frage offen: Wie ist das nun mit dem Krapfen in Berlin? Schließlich wird das mit Konfitüre gefüllte Backwerk in Deutschland allerorten mit dem Begriff „Berliner Pfannkuchen“, kurz „Berliner“ genannt, gleichgesetzt.
Bereits vor rund 600 Jahren sollen in Berlin Schmalzgebäcke angeboten worden sein. Fahrende Händler aus Bayern oder Württemberg könnten die ersten gewesen sein, die einfache ungefüllte Krapfen zum Karneval in die Stadt gebracht haben. Einen unaufhaltsamen Siegeszug dürfte das Schmalzgebäck jedoch erst Ende des 17./Anfang des 18. Jahrhunderts erlebt haben. In dieser Zeit nämlich stiegen die Bevölkerungszahlen rasant an. Vom Ende des Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1648 mit rund 7 500 Bewohnern wuchs die Einwohnerzahl bis zum Jahr 1709 auf 57 000 an. Rund 80 Jahre später, 1786, zählte Berlin bereits 147 000 Einwohner. Damit einher ging ein starker Zuzug von Gewerbetreibenden. Auch das Bäckereiwesen in Berlin blühte stark auf.
Straßenbäckereien, in denen Siedegebäcke hergestellt wurden, waren besonders beliebt. Naturgemäß war das Sieden von Gebäck in großen Pfannen bei offenem Herdfeuer die schnellste und einfachste Art der Zubereitung. So „haute“ der Zuckerbäcker bei großem Andrang schnell und in großen Mengen runde, ballförmige Teigstücke in die Fettpfanne, die rasch gebacken waren. Man nannte diese „Kuchen aus der Pfanne“ sinnigerweise „Pfann-kuchen“, genauer gesagt „Berliner Pfannkuchen“, die vielfach schlichtweg als „Berliner“ bezeichnet wurden. Ob sie gefüllt waren, darüber ist leider nichts Genaues bekannt.
In den 1795 in Berlin notierten Rezepten von Friedérique Charlotte Fontane, der Großmutter Theodor Fontanes, sind ebenfalls entsprechende Rezepte für ungefüllte Pfannkuchen oder „Kreppels“ vermerkt. Auch im Ausland setzte sich das Gebäck durch; in der Schweiz beispielsweise wurde es 1795 unter den Namen „Berliner-Zuckerbrod“ oder „Berlinerbrod“ aufgeschrieben. Überhaupt müssen Berliner Pfannkuchen im späten 18., vor allem aber im 19. Jahrhundert zu den ganz vornehmen Gebäcken gezählt haben.
Wie genau, wann genau und wodurch der gefüllte Berliner Pfannkuchen gerade in Berlin populär wurde, davon kündet offenbar kein genauer Bericht. Spätestens um 1880 boten die Straßen-Pfannkuchenbäcker und -bäckerinnen das Backwerk überall an. Dass die Preußen beim Wiener Kongress und den damit verbundenen verschwenderischen Banketten den gefüllten Wiener Krapfen kennengelernt und nach Berlin „exportiert“ haben könnten, muss aber reine Spekulation bleiben. Schließlich waren ungefüllte Pfannkuchengebäcke vor allem zu Silvester und Neujahr in Berlin ja schon lange bekannt, ebenso in Ost- und Westpreußen, wo man den gefüllten Berliner in den ländlichen Gebieten allerdings erst ab 1920 kennengelernt hat.
Fettgebäcke als Festtagsgerichte
Ohnehin sollte nicht vergessen werden, dass diese und andere Siedegebäcke nicht nur in süßer Form und ausschließlich zur Fastnacht gebacken wurden. So spielten auch die einfachen rustikalen Strauben aus Milch, Mehl und Eiern auf dem gedeckten Tisch einer bäuerlichen Familie bis in die 1930er Jahre vielerorts eine große Rolle. Der Freitag war früher der Tag, an dem es traditionell Schmalzgebackenes gab, und so waren Strauben als Freitagsgericht bis nach Österreich und Südtirol verbreitet. Aber auch in ganz besonderen Situationen wurden Strauben gegessen: In Neuhausen ob Eck zum Beispiel bekam eine Wöchnerin als stärkende Speise nach der Geburt früher „Straubeze mit Zwetschgenmus“.
Und zum guten Schluss sei im Zusammenhang mit den Strauben ein historischer Hinweis für Heiratswillige gegeben: Wurde früher im Schwarzwald beim Antrittsbesuch eines Verehrers das „Tischtuch aufgelegt und Straubeze“ von den Schwiegereltern in spe gereicht, so hatte die Brautwerbung gute Aussichten auf Erfolg. Tischte der Hausherr hingegen nur Backsteinkäs oder Schnaps auf, war es wohl an der Zeit, sich anderweitig umzuschauen.