Regionale Wertschöpfungsketten in Sachsen
Anbauen, Vermahlen und Verbacken lokaler Ackerfrüchte
Regionale Wertschöpfungsketten in Sachsen
Anbauen, Vermahlen und Verbacken lokaler Ackerfrüchte
Regionale Wertschöpfungsketten in Sachsen
Anbauen, Vermahlen und Verbacken lokaler Ackerfrüchte
Heike und Matthias Quendt haben ein Ziel: Sie möchten das regionale Wertschöpfungspotenzial von Leguminosen für Sachsen erschließen. Seit 2019 entwickeln sie dazu Produkte aus Hülsenfrüchten. 2023 sind sie auf der Zielgeraden und eröffnen ihren ersten Qioback-Store in der Innenstadt von Dresden.
Für ihren Traum geht das Ehepaar Quendt 2014 ins Risiko. Sie verkaufen ihr Unternehmen Dr. Quendt Backwaren und stecken den Erlös in die Entwicklung von Produkten aus Hülsenfrüchten. Die werden in der Landwirtschaft für ihre Nährstoffe und ihre Fähigkeit, Stickstoff aus der Luft zu binden, geschätzt und spielen eine wichtige Rolle in der Förderung von gesunden Böden. Hülsenfrüchte sind weniger wasserintensiv als andere Pflanzen und tragen zu einer nachhaltigen Landwirtschaft bei.
Matthias Quendt sieht viele Chancen beim Anbau und in der Verarbeitung von Leguminosen, nicht nur in der Lausitz: „Wir haben bei der Lebensmittelproduktion einen starken Konzentrationsprozess. Das setzt Landwirte unter Druck beim Anbau. Unser Ziel war es, Leguminosen neu zu denken und Landwirten und Mühlen Anreize zu bieten, wieder in regionalen Strukturen Lebensmittel zu schaffen.“
Lebensmittel aus Leguminosen
Heike und Matthias Quendt gründen in Freital das Produktentwicklungsunternehmen QFI Quendt Food Innovation. Innovative Nahrungsmittelprodukte auf Basis heimischer Hülsenfrüchte möchten sie zur Marktreife führen. Heike Quendt hat die Idee auf einer Firmenveranstaltung, auf der schon wieder nur belegte Brötchen serviert werden. Die Ernährungswissenschaftlerin wünscht sich stattdessen gesunde und leicht verzehrbare Snacks.
Hülsenfrüchte seien dafür die ideale Grundlage. „Auch die Konsumenten verändern sich“, erklärt Heike Quendt die Firmengründung. „Sie sind aufgeschlossener, mehr pflanzliche Komponenten in die Ernährung aufzunehmen und wollen sich gesünder, nachhaltiger und klimabewusster ernähren.“ Ihre Kreation LeSnägg ist eine ihrer Backware aus Ackerbohnenmehl, die gesund und ansprechend ist.
Heute bietet Quendt Food Innovation eine Vielzahl von Produkten an, die für den täglichen Gebrauch geeignet sind. Das sind z. B. süße Waffelprodukte und Mürbegebäcke sowie herzhafte Cracker in verschiedenen Geschmacksvarianten. Alle mit glutenfreien Hülsenfruchtmehlen gebacken. Im Unternehmen arbeiten mittlerweile die drei Söhne mit. In den nächsten Monaten eröffnet die Familie in der Nähe des Dresdner Rathauses eine Manufaktur für Backwaren mit Catering.
Regionale Vermahlung
Die Verarbeitung von qualitativ hochwertigen Rohstoffen und die Verwendung von umweltfreundlichen Herstellungsverfahren spielt eine große Rolle: „Wir möchten regionale Früchte vom Feld verarbeiten und in ihrer ursprünglichen Form erhalten und nicht einzelne Nährstoffe herausziehen und weiterverarbeiten. Wir bieten Lebensmittel für Körper, Geist und Seele an, also vollwertiges Essen im wortwörtlichen Sinn“, erklärt Matthias Quendt das Konzept.
OFI arbeitet mit einer Vielzahl von Partnern zusammen, um seine Produkte zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Dazu gehören landwirtschaftliche Betriebe wie die Agrar GmbH als Rohstofflieferanten, Verarbeitungsbetriebe wie die Rätze-Mühle in Göda und Einzelhändler. Zudem arbeitet das Unternehmen mit Forschungseinrichtungen und Universitäten zusammen. Unter Federführung der OFI gründet man die Projektinitiative Legu Sachsen, um gemeinsam Leguminosen zu fördern
Förderung regionaler Strukturen
Das Erschließen des Wertschöpfungspotenzials von Leguminosen stärkt die regionale Wirtschaft und schafft Arbeitsplätze. Zudem verbessert die Produktion von Leguminosen die Umweltbilanz der Landwirtschaft in Sachsen. Deshalb unterstützte das European Innovation Partnership für Landwirtschaft (EIP-Agri-Projekt) bis Ende 2022 den regionalen Zusammenschluss Legu Sachsen finanziell. Das Landwirtschaftsministerium Sachsen übernahm bei der Förderung die Federführung.
Neben der Förderung des Anbaus von Hülsenfrüchten und der Verarbeitung und Produktentwicklung setzt sich die regionale Initiative für die Verbreitung von Erntemaschinen ein, die speziell für den Hülsenfruchtanbau entwickelt wurden. Diese Maschinen erleichtern die Ernte und sind wirtschaftlicher.
Die Initiative Legu Sachsen hat in den letzten Jahren bereits zu einem deutlichen Anstieg des Hülsenfruchtanbaus im Freistaat geführt. Laut Angaben des sächsischen Landwirtschaftsministeriums wurde in den vergangenen fünf Jahren die Anbaufläche von Hülsenfrüchten um über 50% erhöht.
Regionaler Anbau
Am EIP-Agri-Projekt ist die Agrar GmbH in Gröditz beteiligt. Sie bewirtschaftet 2 000 ha. Leguminosen waren schon immer im Anbau, laut Geschäftsführer Felix Lieske, vor allem für die Fütterung der Milchkühe. Auf 100 ha wachsen Erbsen, Ackerbohnen und Blaue Lupine für Menschen.
Für die Agrar GmbH sind Luminosen kein einfaches Geschäft. Weizen ist preislich attraktiver gegenüber den für den Ernährungsbereich erzeugten Hülsenfrüchten. Im Projekt Legu Sachsen orientierte sich die Bezahlung an den Matif-Notierungen, die sich aber auf Futterleguminosen beziehen. Noch ist die Nachfrage nach diesen Rohstoffen für menschliche Konsumgüter zu gering. Beim Anbau achtet Felix Lieske darauf, homogene Bestände zu erreichen, um der Getreidemühle einheitliche Chargen anzubieten.
Matthias Quendt glaubt an die Renaissance kleinerer Mühlen: „Wenn mehr heimische Sorten angebaut werden, braucht man Mühlen, die in der Nähe liegen und diese Sorten verarbeiten können. Ich kenne Betriebe, die keine Mühle finden. Ein Betrieb aus Hessen muss seine Ackerfrüchte zur Verarbeitung nach Baden-Württemberg transportieren.“
Zum Glück haben die Quendts mit der Rätze-Mühle in Göda einen nur 50 km entfernten Partner gefunden. Die Rätze-Mühle ist ein in der neunten Generation geführtes Familienunternehmen. Es stellt einem breiten Kundenkreis Mehle und Schrote bereit.
Die Rätze-Mühle
Die alte Rätze-Mühle wurde 1772 von Johannes Rätze als Klostermühle zu Panschwitz-Kuckau gegründet. Mittlerweile gibt es eine neue Rätze-Mühle, in der circa 10 000 Tonnen Getreide pro Jahr vermahlen werden. Rund 95% des Getreides stammt von der regionalen Landwirtschaft.
„Unser Großvater hat nach der Wende 1991 unter viel Mühen und mit viel Geld auf der grünen Wiese eine großzügige und moderne Mühle gebaut“, erinnert sich Johannes Unger, „er hat viel Freizeit geopfert und seine ganze Energie in den Neubau gesteckt“. Von dieser vorausschauenden Investition profitiert er und sein Bruder Sebastian Unger heute. „Mein Bruder und ich konnten eine relativ moderne Mühle übernehmen und sind im Wettbewerb gut aufgestellt.“
Wettbewerbsfähig mit Spezialprodukten
Die Brüder Unger haben einen treuen Kundenstamm und produzieren sowohl konventionelle Produkte als auch Bio-Mehle und Spezialprodukte. Kleinere Chargen werden in der alten Mühle verarbeitet, mittlerweile eine Bio-Mühle mit einer Leistung von rund 20t Getreide pro Tag. Angetrieben wir sie u. a. mit Wasserkraft. Mit sechs Meter Gefälle und einen Durchfluss von ca. 100–200 Liter/s. Die Mühle hat einen ca. 300 m offenen Mühlengraben und einen manuellen Rechen – 50 m verrohrt bis zur Turbine einer Francis Spiralturbine max. 400 l/s. Dennoch ist der Hauptantrieb elektrisch. Ein Teil der Energie wird über eine Photovoltaikanlage gedeckt. Den Anteil er erneuerbaren Energien wollen die Brüder in den nächsten Jahren weiter ausbauen.
Johannes Unger ist Mitte dreißig und hat noch viel vor. Die Initiative von Matthias und Heike Quendt gefällt ihm und gerne schließt er sich dem Projekt Legu Sachsen an. Die von der Agrar GmbH angelieferten Ackerbohnen, Lupinen und Erbsen sind eine willkommene Herausforderung für ihn. Sein Roggenvermahlungssystem kann Hülsenfrüchte verarbeiten, aber ein bisschen Entwicklung und Anpassung ist nötig. „Ich habe mit meinem Mitarbeiter einige Versuche gemacht und wir haben verschieden Maschinen ausprobiert, wie Walzenstühle und die Schlagholzmühle“, erinnert sich Johannes Unger.
Aber im Prinzip sei das Vermahlen von Hülsenfrüchten für seine Mühle kein Problem: „Ein wenig Anpassung ist immer nötig und auch meine Mitarbeiter haben keine Probleme, die Systeme auf Hülsenfrüchte umzustellen“, so der Müller.
Investition in die Zukunft
Bisher macht das Vermahlen der Hülsenfrüchte einen sehr geringen Anteil am Gesamtgeschäft aus. Aber er beobachtet, dass immer mehr Bäckereien Mehl aus Hülsenfrüchten nachfragen und das Geschäft zunimmt, auch wenn die Spezialprodukte durch die aktuellen Marktverwerfungen einen Dämpfer bekommen haben. „Ich hätte kein Problem damit, jährlich 5 000 t Lupinen zu vermahlen“, so Johannes Unger, „aber dafür muss das Interesse der Konsumenten noch viel größer werden.“ Und deshalb sei es gut, dass es solche Initiativen wie Legu Sachsen gibt, die regionale Eiweißpflanzen fördern und die regionalen Strukturen für den Anbau und die Verarbeitung.