Erste Forschungsergebnisse
Wiederentdeckung regionaler Getreidesorten für Bio-Lebensmittel
Erste Forschungsergebnisse
Wiederentdeckung regionaler Getreidesorten für Bio-Lebensmittel
Erste Forschungsergebnisse
Wiederentdeckung regionaler Getreidesorten für Bio-Lebensmittel
Das Projekt „ReBIOscover” hat das Ziel die Verfügbarkeit regionaler Getreidelandsorten zur nachhaltigen Herstellung von Bio-Lebensmittelspezialitäten zu stärken. Doch welche alten Sorten eignen sich besonders gut zur weiteren Verarbeitung und wie reagieren Verbraucher und Stakeholder zu diesem Thema? Der Wunsch von Verbraucherinnen und Verbrauchern nach regionalen, nachhaltigen und handwerklich hergestellten Produkten rückt heute immer mehr in den Vordergrund.
Die Getreidesorten sollen nicht nur den ernährungsphysiologischen Bedarf decken, sondern auch weniger immunreaktive Inhaltsstoffe enthalten, da diese oftmals eine Unverträglichkeit zur Folge haben können. Ein vorsorglicher Verzicht auf Gluten muss aber nicht sein, denn nun sollen regionale alte Getreide-Landsorten zur nachhaltigen Herstellung von Bio-Lebensmittelspezialitäten wiederentdeckt werden. Diese fördern die Biodiversität – aber sind sie auch bekömmlicher? Im Rahmen des Projektes „ReBIOscover“ begleitet das Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) über einen Zeitraum von drei Jahren die Analyse der Inhaltsstoffe der Getreidesorten und die Herstellung von Bio-Lebensmittelspezialitäten mit besonderen Aroma- und Geschmacksqualitäten und verbesserten Verarbeitungseigenschaften. Mit Unterstützung von Praxispartnern aus der Herstellung und dem Handel, wie Mühlen und Bäckereien, möchte das KErn so in Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und der Technischen Universität München (TUM) dem Ziel nachgehen, die Nutzung von alten Landsorten voranzutreiben.
Hintergrund zum Projekt
Getreide liefert einen unverzichtbaren Beitrag zur Welternährung. Die Aufnahme von Ballaststoffen aus Weizen- oder Roggenvollkornprodukten wird besonders damit assoziiert, dass sie nicht nur das Gewichtsmanagement verbessert, sondern auch das Risiko für Diabetes Typ 2, für kardiovaskuläre Erkrankungen sowie für Dickdarmkrebs vermindert. Die Medien führen allerdings schon lange eine kontroverse Debatte über die gesundheitlichen Folgen, die im Zusammenhang mit dem Verzehr von Weizen vermutet werden. Aufgrund dieser Kontroverse verzichten beinahe 20% der Deutschen vorsorglich teilweise auf Gluten. Viele dieser Verbraucherinnen und Verbraucher berichten, dass sie beispielsweise traditionell handwerklich hergestellte Backwaren viel besser vertragen als herkömmliche. Bislang wurden die verantwortlichen Inhaltsstoffe aber noch nicht eindeutig identifiziert.
Bei Verbrauchern und Verbraucherinnen zeichnet sich heute zunehmend eine Änderung im Konsum und in den Ernährungsgewohnheiten ab: Der Trend geht weg von industriell erzeugten Lebensmitteln und hin zu regional, nachhaltig, handwerklich und ressourcenschonend hergestellten Produkten. Die Konsumentinnen und Konsumenten haben immer mehr den Wunsch, ihren ernährungsphysiologischen Bedarf mit einem differenzierteren Angebot an Getreideprodukten decken zu können. Landsorten, die regional an die natürliche und kulturelle landwirtschaftliche Umwelt angepasst sind, eignen sich besonders gut für den ökologischen Landbau. Die Getreide-Landsorten sind traditionelle, züchterisch unbearbeitete, genetisch heterogene Pflanzenpopulationen. Sie stellen damit wertvolle genetische Ressourcen zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität dar.
Arbeitsthese des Projektes
Moderne Weizensorten unterscheiden sich durch ihre Züchtung im Vergleich zu ursprünglichen Landsorten in ihrer inhaltsstofflichen Zusammensetzung und auch die Verarbeitungsweise vom Korn zu den Produkten hat sich verändert. Die zentrale Hypothese des Projektes ist, dass industriell gefertigte Getreideprodukte mehr immunreaktive und weniger ernährungsphysiologisch positive Inhaltsstoffe im Vergleich zu ökologisch erzeugten und traditionell verarbeiteten Backwaren enthalten. Das bedeutet, dass regionale Landsorten mit nachhaltiger Herstellung weniger Unverträglichkeiten bei Verbraucherinnen und Verbrauchern auslösen und dabei mehr wertvolle Inhaltsstoffe enthalten können.
Ziel des Projektes
Das Ziel des Projektes „ReBIOscover" ist, die Nutzung von Landsorten wie Weizen, Roggen und Gerste voranzutreiben, um verträglichere Getreideprodukte herzustellen. Damit soll der Wunsch von Verbraucherinnen und Verbrauchern nach regionalen und gesunden Bio-Spezialitäten erfüllt werden. Zusätzlich soll der ökologische Landbau gefördert und die regionalen Wertschöpfungsketten für Landsorten aufgebaut und schließlich gestärkt werden. Eine umfassende quantitative Bestimmung der Inhaltsstoffe soll es erlauben, die Prozesse gezielt zu adaptieren. Die Einbeziehung von klein- und mittelständischen Unternehmen soll neue, praxisorientierte Erkenntnisse liefern, um Bio-Lebensmittelspezialitäten mit besonderen Aroma- und Geschmacksqualitäten und verbesserten Verarbeitungseigenschaften zu fertigen.
Aktuelle Projektergebnisse
Interessante erste Ergebnisse gibt es von der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Ruhstorf, wo die Landsorten angebaut und die agronomischen Daten dazu erfasst werden. Aufgrund des hohen Wuchses vieler Landsorten neigen diese eher zum Lager als moderne Zuchtsorten, es wurden aber etliche Sorten identifiziert, die relativ standfest sind und im biologischen Anbau Erträge liefern, die vergleichbar sind mit denen moderner Sorten. Des Weiteren wurden im LfL-Backlabor die Backeigenschaften der alten Sorten anhand einer Vielzahl von Kriterien (wie Fallzahl, Wasseraufnahme, Sedimentationswert, Feuchtkleber und weitere) überprüft. Es zeigte sich, dass die Werte teilweise stark variieren und oft keine so große Aussagekraft haben wie die moderner Sorten. Deshalb ist das Volumen des Gebäckes ein gutes Kriterium, um Aussagen über die Backeignung der alten Sorten treffen zu können.
Aufgrund der Versuchsergebnisse wurden folgende vier Sorten für die Hochvermehrung ausgewählt:
– Nördlinger Roter
– Niederbayerischer Braun
– Babenhausener Zuchtvesen
– Freisinger Landweizen
Erste Analysen der Mehle der verschiedenen Weizen-, Roggen- und Gerstensorten am Institut für Angewandte Biowissenschaften am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zeigen Unterschiede im Proteingehalt zwischen den Kontroll- und Landsorten, diese sind jedoch nicht statistisch signifikant (außer bei Roggen). Auch die Proteinzusammensetzung zeigt keine Auffälligkeiten bei den beiden Gruppen. Weitere Analysen wie z. B. die Bestimmung des ATI-Gehaltes und der inhibitorischen Aktivität sind in Arbeit, um Aussagen über das immunreaktive Potenzial der verschiedenen Arten und Sorten treffen zu können. Es folgen außerdem die Analysen der verschiedenen Teige und der entsprechenden Produkte der verarbeiteten Mehle.
Am Lehrstuhl für Marketing und Konsumforschung der TUM werden zielgruppengerechte Kommunikationsstrategien für KonsumentInnen entwickelt, um die Vermarktung von alten und regionalen Getreidesorten zu fördern. Im ersten Schritt wurden qualitative Interviews mit insgesamt 42 Verbrauchern und Verbraucherinnen in vier deutschen Städten durchgeführt. Erste Ergebnisse zeigen, dass KonsumentInnen häufig keine genaue Vorstellung von alten und regionalen Getreidesorten haben. So äußerten 22 von den 42 Personen, dass sie noch nie wissentlich ein Produkt aus alten und regionalen Getreidesorten gekauft haben, während nur elf Personen angaben, dieses schon einmal bewusst getan zu haben. Gemäß der Interviews wird ein Brot am ehesten mit alten und regionalen Getreidesorten verbunden, wenn der Begriff „Ur“ in dem Namen enthalten ist.