Auswirkungen der Verarbeitungsschritte auf Hygienestatus und Produktqualität
Eiweißfuttermittel aus Larven
Auswirkungen der Verarbeitungsschritte auf Hygienestatus und Produktqualität
Eiweißfuttermittel aus Larven
Auswirkungen der Verarbeitungsschritte auf Hygienestatus und Produktqualität
Eiweißfuttermittel aus Larven
Insekten sind eine sehr attraktive Alternative als Proteinkomponente in der Tierernährung. Um die Sicherheit zu gewährleisten, müssen die Verarbeitungsprozesse bezüglich der Hygieneanforderungen sorgsam gesteuert und kontrolliert werden.
Bereits seit Langem sieht sich die Weltbevölkerung mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, wie Bevölkerungswachstum, tiefgreifenden klimatischen Veränderungen, Kritik gegenüber herkömmlichen Landwirtschaftssystemen und vielen weiteren Aspekten. Dabei sind die Kerninhalte bereits allgemein bekannt: „Konventionelle Landwirtschaft trifft auf ökologisch-biologische Systeme“ sowie „eine Ernährung unter Einbeziehung tierischer Lebensmittel trifft auf Vegetarismus und Veganismus“ [1, 2]. Die Intensivierung der Landwirtschaft und der hohe Anteil an „Veredelungsverlusten“, die mit der Tierproduktion verbunden sind, werden in der Öffentlichkeit ebenfalls kritisch diskutiert. Bezogen auf die Lebensmittelindustrie wird u. a. kritisiert, dass bei der Herstellung der Lebensmittel rund ein Drittel auf dem Weg vom Landwirt zum Konsumenten im Abfall landet. Entlang dieser Kette entstehen allein in Deutschland bei der Industrie, dem Handel, den Großverbrauchern und den Privathaushalten ca. 11 Mio. t Lebensmittelabfälle pro Jahr [3].
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vertritt die Auffassung: „Um Biomasse effizient aufschließen, aufbereiten und bedarfsgerecht für nachgelagerte Produktionsprozesse bereitstellen zu können, sollen Voraussetzungen geschaffen werden, Neben- und Reststoffströme in werthaltige Produkte zu über- führen“ [4]. Insekten können die Ressourceneffizienz verbessern, da diese u. a. Nebenströme der Lebensmittelindustrie als Substrat verwerten können. Allgemein gilt die bestätigte Annahme, dass Insekten klimafreundlich, platz- und ressourceneffizient produziert werden können. Die Futterverwertung gilt als gut, so können unter optimalen Voraussetzungen aus 1 kg Futter 0,8 kg Insekten erzeugt werden [5]. Generell können aus Insekten verschiedenste Endprodukte hergestellt werden. Abb. 1 zeigt die Vielzahl von Möglichkeiten der Produkte auf, welche aus Insekten erzeugt werden können. Das Endprodukt bestimmt die benötigten Verarbeitungsverfahren – somit ist die Wahl der Endprodukte maßgeblich für die Prozesstechnologie.
Rechtsgrundlage
Die rechtliche Einordnung von Insekten als Futtermittel wurde in den letzten Jahren auf EU-Ebene neu aufgenommen bzw. angepasst, sodass seit 2017 verarbeitetes tierisches Protein aus Nutzinsekten in der Aquakultur eingesetzt werden kann, nach (EU) Nr. 2017/893. Im August 2021 haben Insekten durch die Ergänzung (EU) Nr. 2021/1372 der Verordnung (EU) Nr. 999/2011 ihren Weg in die Schweine- und Geflügelernährung gefunden. Für die Humanernährung sind Insekten im Rahmen des Novel-Food-Acts (EU) Nr. 2021/882 novelliert worden. Damit kann auch in der landwirtschaftlichen Praxis Insektenprotein als Futtermittel genutzt und als echte Alternative für pflanzliche und tierische Proteine (Sojaprotein, Fischmehl) angesehen werden. Für die Beurteilung der Insekten kann nach aktueller Rechtsprechung die Verordnung (EU) Nr. 142/2011, inklusive der darin beschriebenen Grenzwerte (Tabelle), angesehen werden. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit der Beurteilung von Zwischen- und Endprodukten innerhalb der Lebens- und Futtermittelkette.
Prozessschritte des Nassverfahrens und deren Einfluss auf den Hygienestatus
Für das Nassaufbereitungsverfahren (Abb. 2) werden die frischen Larven nach der Inaktivierung durch Blanchieren für drei Minuten bei 90 °C devitalisiert. Hierbei kann eine Keimzahlreduktion von fünf Größenordnungen auf 10^4 KBE/g beobachtet werden. Die anschließende Zerkleinerung hat keinen signifikanten Einfluss auf den Hygienestatus des Produktes. Neben der Tötung erfolgt somit auch eine Hygienisierung und Inaktivierung aller endogenen Enzyme, welche somit keine enzymatische Bräunung mehr verursachen können. Die entstandene Pülpe wird durch einen thermischen Zellaufschluss (90 °C für 60 Minuten) für den Separationsschritt vorbereitet. Anschließend erfolgt die Separation mittels Dekanter. Hierbei wird das aufgeschlossene Produkt in eine Protein- und Fett-/Wasserfraktion überführt [6, 7, 8]. Hierbei werden industriell in der Regel Zwei- oder Drei-Phasen-Dekanter eingesetzt. Im erzeugten Proteinmehl ist ein Gesamtkeimgehalt von maximal 10^2KBE/g nachweisbar. Der Prozessschritt des Zellaufschlusses kann durch eine enzymatische oder chemisch induzierte Proteolyse ergänzt werden, hierdurch lassen sich beispielsweise Proteinhydrolysate sowie Chitinisolate als Endprodukte erzeugen.
Hieraus resultieren die kritischen Prozessschritte: 1) Aufzuchtbedingungen der Larven, 2) Devitalisierung durch Blanchieren und 3) Aufschluss für die Sicherstellung eines verkehrsfähigen und sicheren Futtermittels.
Prozessschritte des Trockenverfahrens und deren Einfluss auf den Hygienestatus
Die aktuell etablierten Verarbeitungsverfahren im Markt sind sowohl die Nass- als auch die Trockenaufbereitung [6]. Durch den Einsatz des Trockenverfahrens (Abb. 3) zur Verarbeitung von Futterinsekten lassen sich Proteinmehle in verschiedenen Qualitäten erzeugen.
Der Hygienestatus der eingesetzten Rohware ist stark abhängig von den Haltungsbedingungen bei der Insektenmast. Innerhalb des Projektes waren Gesamtkeimzahlen der Rohware von bis 10^8 keimbildenden Einheiten pro Gramm Material (KBE/g) möglich. Darüber hinaus waren Belastungen mit Enterobacteriaceae von bis zu 1KBE/g in der Rohware nachweisbar. Die Rohware kann durch Blanchieren oder Einfrieren devitalisiert werden. Zu beachten ist, dass nur die Devitalisierung mittels Blanchieren eine Reduktion der Keimbelastung ergibt. Nach der Inaktivierung der Insekten muss das Produkt auf eine Restfeuchte von unter 5% getrocknet werden. Die Trocknung kann beispielsweise mittels Mikrowelle, Heißluft oder Infrarotstrahlung erfolgen. Innerhalb des Projektes wurde die Rohware bei 80 °C durch Infrarotstrahlung getrocknet und anschließend der Hygienestatus des Materials bestimmt. So konnte durch die Trocknung die Gesamtkeimzahl von 10^8 auf 10^5 KBE/g gesenkt werden. Im Gegensatz dazu wurde bei den Enterobacteriaece nur eine Verringerung von zwei Größenordnungen beobachtet, sodass sich eine Keimzahl von 2,05 x 10^3KBE/g erfassen ließ. Somit konnte durch die Trocknungen eine Verbesserung des Hygienestatus erzielt werden. Durch die anschließende Konditionierung und Entfettung konnte nur noch ein marginaler Abfall der Keimbelastung nachgewiesen werden.
Somit ergeben sich innerhalb des Trockenverfahrens die kritischen Schlüsselstellen: 1) Aufzuchtbedingungen der Larven, 2) Devitalisierung durch Blanchieren und 3) Trocknen für die Sicherstellung eines verkehrsfähigen und sicheren Futtermittels. Es ist insbesondere darauf zu achten, dass bereits die Rohware möglichst kontaminationsfrei eingekauft wird.
Endprodukte der Verfahren
Das Proteinmehl beider Verfahren setzt sich, abhängig von der Gattung und von den Aufzuchtbedingungen, aus ca. 35–50 % Protein, 17–36 % Fett und 2–8 % Rohfaser zusammen [9–15]. In Abhängigkeit von der Trocknungsprozessführung kann sich die Produktqualität durch Maillard-Reaktionsprozesse deutlich unterscheiden [16–18]. Das Abpressen des Lipidanteils zur Herstellung von Proteinmehlen resultiert in einer Erhöhung des Rohproteingehaltes von bis zu 70% im Vergleich zur getrockneten Larve. Neben der Erhöhung des Rohproteingehaltes wird auch eine Aufkonzentrierung der Rohfaserfraktion von 2–8 % auf 5–15 % erzielt [6, 12–15, 19]. Durch den Einsatz des Nassverfahrens sind hohe Proteinlöslichkeiten sowie Spezialprodukte wie Proteinhydrolysate und Isolate realisierbar.
Vergleich des Hygienestatus der Verarbeitungsverfahren
Stellt man beide Verarbeitungsverfahren gegenüber, so stellt man signifikante Unterschiede zwischen beiden Methoden fest. Abb. 4 zeigt den Verlauf der Gesamtkeimzahl beider Verfahren innerhalb der zuvor definierten kritischen Prozessschritte. Innerhalb des Trockenverfahrens ist es, ohne zusätzliche technische Hygienisierung beispielsweise durch das Blanchieren, nur durch permanente Kontrolle der Rohware möglich, die gesetzlichen Bestimmungen sicher einzuhalten. Aufgrund der trockenen Wärme innerhalb der Trocknungsprozesse kann nur eine geringe Keimzahlreduzierung erzielt werden. Somit ist aus futtermittelrechtlicher Sicht ein hydrothermischer Prozessschritt zur Hygienisierung erforderlich. Im Gegensatz dazu kann das Nassverfahren innerhalb der Standard-Prozessschritte bereits eine sehr hohe Keimzahlreduktion aufweisen.
Die Ursache der deutlich stärkeren Keimabtötungsrate des Nassverfahrens im Vergleich zum Trockenverfahren ist auf die feuchte Wärme beim Blanchieren und auf den Zellaufschluss zurückzuführen. Hierbei ist eine Wärmeübertragung auf die Mikroorganismen wesentlich stärker, sodass eine zuverlässige und hohe Abtötungsrate gewährleistet werden kann. Somit lassen sich grundsätzlich auch stärker kontaminierte Rohwaren mit dem Nassverfahren verarbeiten.
Zusammenfassung
Insekten stellen grundsätzlich eine sehr attraktive Alternative im Bereich der Tierernährung dar. Durch den Einsatz verschiedener Verarbeitungsmethoden lassen sich eine Vielzahl von Endprodukten herstellen. Die Auswahl eines geeigneten Verarbeitungsverfahrens ist von mehreren Faktoren wie der angestrebten Endproduktqualität, der Durchsatzleistung, der Beschaffenheit der Rohwaren und der Lagerlogistik abhängig. Durch eine spezielle Prozessführung können Spezialprodukte aus Insekten mit besonderen Eigenschaften erzeugt werden. Der Hygienestatus ist aufgrund der strengen gesetzlichen Rahmenbedingungen technologisch eine Herausforderung. Hierdurch sind neben einer guten Fachpersonalausbildung auch detaillierte Prozesskenntnisse erforderlich. Die Steuerung und Kontrolle der Verarbeitungsprozesse stellt beim Trocken- und Nassverfahren den Schlüssel zur Herstellung von sicheren Proteinfuttermitteln dar.
Literaturverzeichnis
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