Hohe Abtastraten und smarte Lösungen
M+M: Wie sieht die Zusammenarbeit mit Ihren Kunden konkret aus? Geht vieles digital?
Dr. Marcus Quack: Wenn ein Kunde unsere Systeme in seine Produktionslinie integrieren möchte, sind unsere Leute immer noch vor Ort. Sowohl bei der Planung als auch beim Einbau. Ausbildung und Training des Personals an den neuen Geräten gehören ebenfalls zu unserem Leistungsportfolio. Wir überwachen den gesamten Prozess des Einbaus.
M+M: Übernehmen Sie auch die anschließende Wartung und Kontrolle – und sind die digital?
Dr. Marcus Quack: Umfangreichere Arbeiten erledigen unsere Leute direkt an Ort und Stelle. Einfacher ist es für uns natürlich, wenn wir uns zur Diagnostik und Instandhaltung auf die Systeme unserer Kunden aufschalten können. So erkennen wir Probleme sofort oder können Updates installieren. Im medizinischen Bereich gibt es dagegen oft Bedenken in puncto Datenschutz. Auch im Foodbereich nehmen wir das ernst und bieten auf Wunsch andere Lösungen an.
M+M: Wie schätzen Sie die Entwicklungen auf den Märkten ein?
Dr. Marcus Quack: PerkinElmer hat seine Wurzeln in den USA, ist aber ein weltweit agierendes Unternehmen. Im Foodbereich ist gerade vieles in Bewegung – Ernährungsgewohnheiten wandeln sich, neue Produkte kommen auf den Markt. Eine wichtige Region für uns ist beispielsweise Indien. Das Messen der Fettparameter in der Milch ist dort ein großes Thema. Insgesamt gehen wir davon aus, dass die Rohstoffpreise und Herstellungskosten weiter steigen. Warenströme werden sich verändern und Produktionen eventuell gedrosselt, wenn Rohwaren, Verpackungsmaterial und/oder Personal fehlen.
Auch das Kaufverhalten der Endabnehmer ist im Wandel, ebenso wie die Investitionsbereitschaft unserer Kunden. Der Markt für landwirtschaftlich erzeugte Lebensmittel gerät unter Druck und blickt in eine volatile und ungewisse vorhersagbare Zukunft. Beim Trend zu mehr Automatisierung, Digitalisierung und autonomer Produktion gab es die letzten zwei Jahre eine Beschleunigung. PerkinElmer wird sich dem schnell und agil mit Innovationskraft anpassen. Der Kundenfokus wird voraussichtlich auf ganzheitlichen Lösungen liegen, mit denen der komplette Arbeits- und Produktionsablauf abgebildet werden kann.
M+M: Wie stellt sich PerkinElmer für die D-A-CH-Region auf?
Dr. Marcus Quack: Die Energie- und Produktionskosten sind in der D-A-CH-Region höher als in den Nachbarländern wie etwa Frankreich. Der Fachkräftemangel, der nahezu den gesamten europäischen Markt erfasst hat, wird sich zunehmend bemerkbar machen. Ziel ist es, dass Lebensmittelversorgung und -qualität stets sichergestellt sind, auch bei Liefer- und Produktionsschwierigkeiten. Und machen wir uns nichts vor: Die Geräte und die Messtechnik sind heutzutage weitgehend ausgereift. Heute reden wir eher über die Anwendung. PerkinElmer ist für Kunden interessant, weil wir lückenlose Qualitätsüberwachung bieten und sich unsere Technik in die vollautomatische Produktion einfügen lässt. Das macht uns zu Partnern. Viele unserer Instrumente und Technologien sind auf individuellen Kundenwunsch hin entstanden. Wir von PerkinElmer möchten uns vor allem in der aktuellen volatilen Marktsituation als verlässlicher Partner für unsere Kunden im Agrarmarktsegment positionieren. Mit unserem umfassenden Produktportfolio und unseren Neuentwicklungen (z. B. NIR-Prozessgeräten gemäß ATEX 20, Liquid Analyzer, „LactoScope 300“) wollen wir konkrete Lösungen für die verschiedenen Herausforderungen liefern. Trotz der geänderten Marktsituation bleiben wir bei unserem Wachstumsziel von 10,1%.
M+M: Wo sehen Sie sich gegenüber der Konkurrenz im Vorteil?
Dr. Marcus Quack: PerkinElmer ist mit seinem Produktportfolio gut aufgestellt, um für die genannten Aufgabenstellungen wirksame Lösungen anbieten zu können. Unser Alleinstellungsmerkmal ist zum Beispiel die hohe Abtastrate im laufenden Prozess. Mit den NIR-Prozessgeräten bieten wir smarte, ausgereifte Produkte, die über aktuelle, Industrie-4.0-konforme Schnittstellen (z. B. OPC UA) zu allen bestehenden Automatisierungsebenen verfügen. Damit lassen sich automatisierte Prozessregelungen realisieren, die zu signifikanten Einsparungen von Energie- und Produktionskosten führen, so dass sich die Geräte rasch amortisieren.
M+M: Wo liegt derzeit Ihr Hauptgeschäft und wo sehen Sie noch Potenzial?
Dr. Marcus Quack: Unser Kerngeschäft im Agrarmarktsegment bleibt die Qualitätsbewertung von Getreide und Leguminosen (u. a. durch NIR-Ganzkorngeräte) zur Wareneingangskontrolle bei Landhändlern sowie Getreide-, Futter- und Ölmühlen. Auch in der Fertigungs- und Endproduktkontrolle (Mehlanalytik) ist PerkinElmer vertreten. Bei Technologien und Instrumenten für Labore sehen wir enormes Wachstumspotenzial, denn der Bereich Food Safety wird weiter an Bedeutung gewinnen, insbesondere wenn es um Genauigkeit geht. Manche Mühlen lagern ihre Messungen bereits aus. Schnellmethoden (Streifentests etc.) werden eher entlang der Produktion eingesetzt, während unsere High-End-Analysegeräte (HPLC, AAS-Spektrometer, GC-MS etc.) in der Regel in Auftragslaboren zum Einsatz kommen.
M+M: Sehen Sie Trends bei der Getreideverarbeitung?
Dr. Marcus Quack: Wir beobachten eine Tendenz zu mehr Rohstoffveredelung für Spezialprodukte. So wird es möglich, die Wertschöpfung zu steigern und neue Nischenerzeugnisse zu entwickeln. Zu den hergestellten Spezialprodukten zählen z. B. extrudierte und thermisch behandelte Mehle. Hier hat PerkinElmer mit dem „Rapid Visco Analyzer“ (RVA) eine neue Amylomethode konzipiert. Damit können die Eigenschaften dieser Mehle genau definiert und gemessen werden.
Zu den Neuentwicklungen für Getreidemühlen zählt definitiv unser Industrie-4.0-konformes NIR-Prozessgerät DA 7350 In-line mit Explosionsschutz-Zertifizierung für ATEX-Zone 20. Das DA 7350 kann entlang der gesamten Produktionskette direkt in der Fertigungsumgebung eingesetzt werden und misst kontinuierlich sämtliche Inhaltsstoffe (Mineralien, Feuchtigkeit, Protein) in Echtzeit. Zudem ist es mit einer integrierten Farbkamera ausgestattet, die Farbmessungen und mittels der integrierten Bildverarbeitung auch eine voll parametrierbare Stippenzählung (Schalenanteile, Kleie) ermöglicht. So lassen sich eine lückenlose Produktionskontrolle und automatisierte Prozessregelung erreichen.
M+M: Sie sagten vorhin, die Messgeräte seien weitgehend ausgereift. Wagen Sie hier einen Blick in die Zukunft? Was kommt, was bleibt bei den Grenzwerten?
Dr. Marcus Quack: Grenzwerte für Gefahrenstoffe werden nicht von heute auf morgen verschärft. Zunächst müssen dafür Belegstudien erstellt werden. Mit den NIR-Prozessgeräten von PerkinElmer wird es möglich, sämtliche Inhaltsstoffe kontinuierlich und detailliert zu messen und die Ergebnisse digital zu verarbeiten. Dank der hohen Sensitivität der Geräte können sogar Analysen über aktuell geltende Grenzwerte hinweg erfolgen. Die Analytik wird besser, Detektionsgrenzen werden immer niedriger. Schon aus gesundheitlichen, produkttechnischen und/oder Umweltschutzgründen sind Grenzwerte selbstverständlich sinnvoll. Andererseits haben sie aber auch gesellschaftspolitische Aspekte. Hier versuchen wir, am Puls der Zeit zu bleiben. Mit unserer hochempfindlich Messtechnik können wir schon jetzt die gesetzlichen Vorgaben übertreffen. So haben wir ein Sicherheitspolster.
M+M: Viele Verbraucher lehnen Produkte aus gentechnisch veränderten Rohstoffen ab. Ist diese Skepsis auch bei Ihnen ein Thema?
Dr. Marcus Quack: Die Verfügbarkeit von Soja und anderen Rohstoffen ohne Gentechnik wird voraussichtlich schwieriger, da diese Waren meist aus Osteuropa kommen. Die analytische Überwachung der zu uns importierten Produkte gewinnt deshalb künftig immer mehr an Bedeutung – natürlich auch in unserem Unternehmen. Das gilt vor allem im Hinblick auf Sojaerzeugnisse wie Milch- und Fleischersatz. Diese sind von gentechnischen Modifikationen besonders stark betroffen.
M+M: Wir sprachen über den Druck, mehr zu digitalisieren. Was meinen Sie – wird der Beruf des Müllers dadurch einfacher, komplizierter oder gar entbehrlich?
Dr. Marcus Quack: Das Berufsbild wird sich definitiv wandeln und verändern, denn auch in der Müllerei kommt der Digitalisierung eine wichtige Rolle zu. Ein Trend zu mehr autonomer Produktion ist bereits im Gange. Wir werden die Qualität der Erzeugnisse immer weiter mehr erhöhen. Die Frage ist, wo es hingeht. Meiner Meinung nach wird der Beruf des Müllers niemals überflüssig werden – seine Expertise bleibt auch in Zukunft gefragt. Fachkenntnisse und Erfahrung in Sachen Rohstoffe, Müllereitechnik usw. sind einfach durch nichts zu ersetzen. Doch der Müller wird vielseitiger und komplexer arbeiten müssen. Und sicher mehr Zeit am Computer verbringen. Schließlich muss ja irgendjemand all die generierten digitalen Daten auswerten und den Prozess dann dementsprechend angepassen.
M+M: Sie haben dieses Jahr auf der AnugaFoodTec ausgestellt. Weshalb sind Sie wieder bei den Messen dabei und was planen Sie?
Dr. Marcus Quack: Die AnugaFoodTec war eine der ersten großen Messen, auf der wir wieder präsent waren. Vieles im Kundenkontakt geht zwar auch bei uns über digitale Kanäle, aber Veranstaltungen wie die Anuga sind weiterhin von großer Bedeutung für den fachlichen Austausch. Wir wollen auf den Messen vor allem unsere NIR- Prozessgeräte zur kontinuierlichen Messung direkt in der Produktion vorstellen; außerdem werden wir unsere Lösungen zur Digitalisierung und zur Anbindung an bestehende Automatisierungsebenen demonstrieren. Auch ein neuer Liquid Analyzer wird präsentiert. Als Nächstes freuen wir uns jetzt auf die Müllerei-Fachtagung in Detmold und die Analytica in München und hoffen dort auf möglichst viele Kunden und Interessierte.