Mit Vision Zero der Berufsgenossenschaft Mitarbeiter einbeziehen
Unfallvermeidung in der Futtermittelbranche
Mit Vision Zero der Berufsgenossenschaft Mitarbeiter einbeziehen
Unfallvermeidung in der Futtermittelbranche
Mit Vision Zero der Berufsgenossenschaft Mitarbeiter einbeziehen
Unfallvermeidung in der Futtermittelbranche
Mit Vision Zero der Berufsgenossenschaft Mitarbeiter einbeziehen
Unfallvermeidung in der Futtermittelbranche
ForFarmers ist einer der größten Mischfutterkonzerne in Europa mit Standorten auch in Deutschland. In Vechta-Langförden übernahm die ForFarmers Langförden GmbH ein bestehendes Werk mit 160 Mitarbeitern. 2016 entschloss sich das Management, ein neues Sicherheitskonzept einzuführen.
Immer wieder kam es im ForFarmers Werk in Vechta-Langförden zu schweren Unfällen. Das Management des Betriebs entschloss sich 2016 das Sicherheitskonzept zu überarbeiten und mit einer Kampagne zur Arbeitssicherheit dazu beizutragen, die Unfallzahlen zu senken und schwere Unfälle zu vermeiden. Es entstand die Kampagne #bettersafethansorry. Mühle + Mischfutter sprach mit Manuel Gehrke, Aufsichtsperson und Branchenkoordinator für Mühlen, Futtermittelbetriebe und Mälzereien der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe, über die Erfahrungen aus der Kampagne und ob sie als Vorbild dienen kann für andere Betriebe.
M+M: Was waren genau die Ziele der Kampagne und an wen richtete sie sich?
Manuel Gehrke: Die Kampagne möchte den Beschäftigten die Verantwortung für das eigene Tun nahebringen. Die wesentlichen Bestandteile sind eine Änderung des Bewusstseins für Gefahren und für ein sicheres Verhalten. Dies ist ForFarmers besonders wichtig. Mit dieser Kampagne sind konkrete Vorgaben verknüpft, wie mit Mängeln und Unfällen zu verfahren ist.
M+M: Was genau sind die Vorgaben für die Mitarbeiter?
Manuel Gehrke: Die Kampagne besteht aus mehreren Verhaltensregeln. Die erste Komponente sind Grundregeln zum sicheren Verhalten, die sogenannten „5-Alive-Regeln“. Erstens: Führen Sie nur Tätigkeiten aus, für die Sie geschult sind und zu denen Sie befugt sind. Zweitens: Führen Sie jede Aufgabe so aus, wie Sie es gelernt haben. Drittens: Beginnen Sie niemals mit einer Tätigkeit, wenn diese nicht sicher ist. Viertens: Wenn Sie etwas Gefährliches sehen, dann machen Sie es sicher (wenn das möglich ist) und melden Sie es. Fünftens: Hinterlassen Sie Ihren Arbeitsplatz immer sauber und sicher.
Die dritte Regel wird noch ergänzt durch die sogenannte Dynamische Risikobewertung (DRB), die bei jeder Tätigkeit berücksichtigt werden soll. Jeder Mitarbeiter wird angehalten, bei neuen oder unklaren Situationen eine eigene Gefährdungsbeurteilung zu machen, die wiederum aus fünf Schritten besteht: Anhalten und Nachdenken, Beurteilen, Reagieren, Fortfahren, Berichten.
M+M: Das sind viele Regeln. Wie wird jeder Mitarbeiter darüber informiert und wie kann er sich alles merken?
Manuel Gehrke: Die Regeln werden in Unterweisungen und Broschüren von ForFarmers jedem Mitarbeiter näher erläutert. Aber die Regeln finden sich auch auf Tassen oder im Intranet. Jeder Beschäftigte kann sie sich immer wieder in Erinnerung rufen.
Kann die erkannte Gefährdung ausgeschlossen werden, darf der Mitarbeiter mit der Tätigkeit anhand der „5-Alive-Regeln“ fortfahren. Bleibt eine Gefährdung erkennbar, wird dies der Führungskraft gemeldet. Letztendlich bedeutet die DRB die Stärkung des gesunden Menschenverstands. So muss sich der Auslieferungsfahrer, der auf einem Hof entladen möchte, zum Beispiel vergewissern, ob er dies gefahrlos tun kann.
M+M: Sie sprachen von mehreren Komponenten. Welches sind die anderen?
Manuel Gehrke: Als Ergebnis einer Dynamischen Risikobewertung kann sich die zweite Komponente der Kampagne #bettersafethansorry ergeben: Ein sog. „Near Miss“, im eigentlichen Wortsinn ein Beinaheunfall. Bei ForFarmers wurde dieser Begriff aber deutlich erweitert; hier werden neben Beinaheunfällen auch alle anderen unsicheren Zustände, die ein Mitarbeiter nicht sofort beseitigen kann, als „Near Miss“ verstanden. Neben den Erkenntnissen aus der DRB sind alle Beschäftigten aufgefordert, alle unsicheren Zustände bzw. Beinaheunfälle zu melden.
M+M: Wie erfolgt die Meldung?
Manuel Gehrke: Die Meldung eines „Near Miss“ kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen. Der Mitarbeiter kann das Ereignis über die ForFarmers-App melden oder über einen PC direkt ins EDV-System eintragen. Er kann aber auch ein Formular ausfüllen oder mündlich seine Führungskraft informieren. Mit den ganzen Möglichkeiten ist sichergestellt, dass jeder die Möglichkeit zur Meldung hat. Für die Auslieferungsfahrer gibt es zusätzlich noch die „Driver Teacher“. Das sind Lkw-Fahrer, die bei Kollegen mitfahren, beispielsweise zur Bewertung der Umsetzung von Sicherheitsvorgaben und die die Entladestellen hinsichtlich Sicherheit bewerten. Die Ergebnisse, die je nach Schwere auch über die Leitungsebene den Kunden zur Verfügung stehen, sind zum Teil im Farm Risk-System für die Auslieferungsfahrer transparent. Wählt der Fahrer im Fleet Board am Tablet in seinem Lkw den Kunden an, erscheinen die vom Driver Teacher ermittelten Gefährdungen als Hinweise für die eigene Dynamische Risikobewertung des Fahrers. Dies können Hinweise auf Stolperkanten oder freilaufende Hunde sein.
M+M: Was passiert dann mit den gesammelten Informationen zu den Beinaheunfällen?
Manuel Gehrke: Die im Betrieb vorhandenen Informationen zu Beinaheunfällen kommen auf die Mängelliste. Die Abteilungsleiter sind zuständig für die Abstellung je nach Dringlichkeit sofort oder in einem definierten Zeitraum. Sie sind auch verantwortlich für die Nachverfolgung sowie für die Rückmeldung an die Mitarbeiter. Diese Rückmeldung erfolgt persönlich und auch über ausgehängte Listen. Unsichere Zustände, die zu schweren Unfällen führen können, werden besonders behandelt. Dabei werden risikoreiche Mängel und auch besonders schwere Beinaheunfälle als „High Impact Near Miss“ behandelt.
M+M: Wie wird mit Ereignissen umgegangen, die als „High Impact Near Miss“ eingestuft wurden?
Manuel Gehrke: Für diese Art von Missständen gibt es das elektronisches Formular Serious Injury or Fatality (SIF). Es kommt auch bei schweren Unfällen zur Anwendung. Dabei werden diese Unfälle oder Situationen mit einer Checkliste bewertet und einer besonderen Behandlung zugeführt. Die Unfallmeldung muss dabei vom zuständigen Abteilungsleiter umgehend an den HS-Officer erfolgen. Die Bearbeitung erfolgt dann im Team und die Behebung der Mängel muss durch den Abteilungsleiter bestätigt werden.
Für die Bearbeitung der mit der Near-Miss-Meldung erkannten Mängel gibt es neben den Abteilungsbudgets zusätzliche finanzielle Töpfe. Damit sind die Abstellung der Mängel und infolgedessen die Sicherheit immer gewährleistet.
M+M: Seit 2016 hat ForFarmers Erfahrungen gesammelt, welche sind das?
Manuel Gehrke: Die Kampagne wurde seitdem nicht wesentlich verändert, kleine Feinheiten wurden überarbeitet. Beispielsweise wurden digitale Systeme erweitert und angepasst. Bei etwas mehr als 300 Mitarbeitern in Deutschland hat ForFarmers den LTI von 13 im Jahr 2018 gesenkt auf drei im Jahr 2023, wobei die Abnahme fast ausnahmslos kontinuierlich erfolgte.
M+M: Ihre Berufsgenossenschaft hat sich der Vision Zero verschrieben. Erfüllt die Kampagne von ForFormers deren Ziele?
Manuel Gehrke: Das Ziel der Vision Zero "Null Unfälle – gesund arbeiten." bedeutet für die Betriebe: kein Personalausfall durch Arbeitsunfälle oder arbeitsbedingte Erkrankungen, gut funktionierende Prozesse und Abläufe, mehr Wirtschaftlichkeit durch Vermeiden von Störungen, Sachschäden und Stillständen, mehr Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation, weniger Fluktuation, Bindung von Fachpersonal sowie Einsparungen beim BG-Beitrag durch maximalen Beitragsnachlass.
Diese Ziele sollen mit den folgenden Bausteinen erreicht werden:
• Gefährdungen im Betrieb kennen, Schutzmaßnahmen festlegen und umsetzen
• Sicher und gesund führen
• Ziele formulieren, Regeln aufstellen und umsetzen
• Beschäftigte unterweisen und qualifizieren
• Gemeinsam aus Fehlern lernen
• Gute Präventionskultur als Basis:
• Kommunikation
• Beteiligung
• Betriebsklima
Mit dem System erfüllt ForFarmers bereits seit 2016 wesentliche Inhalte der von den Berufsgenossenschaften beschriebenen Vision Zero und leiste so einen Beitrag zur Senkung der Unfallzahlen und der Kosten.