Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung
Tagung für Müllerei-Technologie mit Erntegespräch
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Tagung für Müllerei-Technologie mit Erntegespräch
Work-Life-Balance und Alternative Proteine waren die Trendthemen auf dem traditionellen Branchentreff in Detmold. Am 13. und 14. September gab es dort Online-Vorträge, Technik- und Analytiknews, Getreide- und Ausbildungsthemen sowie natürlich ausgiebiges netzwerken.
Auf der zweitägigen Veranstaltung gab es eine Fachpräsentation mit 17 Ausstellern und genügend Platz und Zeit für persönliche Gespräche. Workshops zu Besatzbestimmung, Backfähigkeit und Qualitätsbestimmung boten Anregungen und interessante Vorträge zur Ernte und aktuellen Themen rundeten die Veranstaltung ab. Ein gelungenes Catering und eine Abendveranstaltung machten die Reise ins Lipperland zusätzlich attraktiv.
Erntegespräch – erste Erfahrungen
Am Dienstag startete die Veranstaltung mit den Vorträgen des Erntegespräches. Den Anfang machte Dr. Lorenz Hartl, vom Tagungsleiter Dirk Wilke als „personifizierter Weizen” angekündigt. Er gab aber nicht nur zum Weizen, sondern auch zum Roggen einen Überblick über erste Ernteerfahrungen. Insgesamt waren die Bedingungen für die Aussaat des Winterbrotgetreides günstig und die meisten Bestände durchliefen eine gute Herbst- und Winterentwicklung. Probleme durch Trockenheit im Frühjahr und Frühsommer sind regional unterschiedlich und zu verschiedenen Zeitpunkten spürbar. Aufgrund hoher Temperaturen und starker Sonneneinstrahlung setzte die Abreife, teilweise auch Notreife, früh ein. Dadurch war die Getreideernte früh abgeschlossen. Standorte mit guten Wasserkapazitäten brachten zwar hohe Erträge ein, insgesamt gibt es aber ein mittleres Ertragsniveau. Besonders auf den Sandböden im Osten Deutschlands zeigten sich Einbußen, gerade beim Roggen. Die Bedeutung der Sortenwahl werde künftig wichtiger.
Qualitative Ergebnisse
Dr. Alexandra Hüsken kündigte eine sortenspezifische Auswertung an und ging in ihrem Vortrag auf erste qualitative Ergebnisse ein. Knapp 90% der Weizen- und etwas über die Hälfte der Roggenproben waren schon auf Qualitätsparameter und auf die Verunreinigung mit Mykotoxinen hin analysiert worden. Die diesjährige Winterweichweizen-Ernte weist im Durchschnitt aller untersuchten Proben aus dem Bundesgebiet einen Rohproteingehalt von 11,8% auf – ein fast historisches Tief. Auch der Sedimentationswert liegt unter dem Niveau des Vorjahres. Insgesamt ist die Klebergüte als gut dehnbar und elastisch einzustufen, der reduzierte Feuchtklebergehalt im Schrot kann jedoch die fehlende Proteinmenge nicht kompensieren, sodass die Mindestanforderungen der Mühlen oft nicht erreicht werden. Beim Roggen erreichen 99,8% der analysierten Proben Brotroggenqualität. Qualitativ stellt sich die Roggen-Ernte auch in diesem Jahr als enzymarm dar. Erfreulicherweise seien in den diesjährigen Ernteproben sehr geringe Gehalte an Deoxynivalenol (DON) und Zearalenon, wie Dr. Christine Schwake-Anduschus berichtete. Im Weizen liegen die Gehalte im langjährigen Mittel auf einem extrem niedrigen Niveau. Keine der untersuchten Weizen- oder Roggen-Proben überschritt die Grenzwerte. Hinsichtlich der niedrigen Fusarientoxin-Gehalte profitieren insgesamt alle Anbaugebiete von den Trockenperioden während des Getreide-Aufwuchses. Allerdings ist das mittlere Vorkommen von Mutterkornsklerotien gegenüber dem Vorjahr erhöht. In 28% der Proben beim Roggen wurde der Grenzwert von 0,5 g/kg überschritten. Neue Sorten und globale Märkte Dirk Rentel stellte die neuen Weizen- und Roggensorten vor, die durchweg gute Werte bezüglich Proteinen und Fallzahl aufweisen. In einem Exkurs zeigte er die Möglichkeit der Einführung neuer Effizienzparameter in der Sortenliste: Die Frage blieb, wie sinnvoll und hilfreich etwa ein Wert für die Proteineffizienz oder Stickstoffeffizienz einer Sorte sein kann. Den Abschlussvortrag hielt Bernhard Chilla, Marktanalyst bei der Agravis Raiffeisen AG. Er gab einen Überblick über die globalen Getreidemärkte. Insgesamt sind die Preise derzeit schwankend und es werden nur geringe Volumina an den Börsen gehandelt. Kanada, Australien und Argentinien können in diesem Jahr viel anbieten, fraglich sind Russland, die Ukraine und China. Entscheidend ist die weltweite Versorgung mit Mais. Insgesamt ist die knappe Versorgungslage mit Mais und auch mit Weizen weltweit ein Problem. Eine Verschiebung der Handelsströme und eine Regionalisierung des Handels deuten sich an.
Work-Life-Balance
Der evangelische Pfarrer Wolfgang Lehmann stellte am Nachmittag seinen Ansatz für eine Work-Life-Unity vor, eine Einheit und ein Zusammenspiel von Arbeits- und Privatleben. Dabei wird das Bild der Waage der Work-Life-Balance ersetzt durch ein Bild zweier Zahnräder, die ineinandergreifen und sich gegenseitig stabilisieren.
Technologie und Innovation
Sackware wird für Bäckereien aufgrund des Wachstums bei Spezialprodukten wichtiger. Die Nachfrage nach Absackanlagen wächst. Maro Bauer von Kastenmüller stellte verschiedene Varianten und den Aufbau von Absackanlagen vor. Er erläuterte deren Einsatz an einem Beispiel mit einer Kontrollsiebmaschine aus Edelstahl, Einzelstutzenverpacker für Schrote und dunkle Mehle, Doppelstutzenverpacker für helle Mehle, Ultraschall-Verschlusssystem, Metalldetektor, Kontrollverwiegung, Etikettierer, Palettierer und vollautomatischem Wickler. Dietmar Heinemann präsentierte Bühler-Lösungen rund um den Walzenstuhl. Für die verschiedenen Walzenstühle wird nun ein Retrofit für den synthetischen Abstreifer angeboten – ohne Borsten. Das TVM erfasse Temperatur und Vibration direkt in der Walze, übermittle die Daten digital und sorge so für eine Walzenstuhlführung, die nicht mehr subjektiv sei, sondern zum Prozess-Know-how gehöre. Expertenwissen wird über das Tool „Smart Companion” bereitgestellt. Die digitalen Lösungen in Verbindung mit modernsten Vermahlungssystemen sollen die „Smart Mill” ermöglichen. Digital vernetzbar, nachhaltig durch geringen Energieverbrauch und innovativ in der Technik seien auch die fünf Wiege- und Dosiersysteme von Bühler, die Andre Reinecke vorstellte: die automatische Schüttwaage „Akrivis”, den Mengenregler „Rois”, den Mikrodosierer „Varion A” sowie die Differenzialdosiersysteme „Varion G” und „Varion P”.
Analytik
Standardbackversuche dienen der Ermittlung des Backverhaltens von Zutaten und Rezepturen sowie der Eignung von Verfahren und Techniken. Da sich glutenfreie Rohstoffe von herkömmlichen in ihrem Verhalten und der Handhabung grundsätzlich unterscheiden, wurde ein Mini-Backversuch von Brabender entwickelt. Dr. Matthias Mayser stellte die Ergebnisse vor. Mithilfe des speziell entwickelten „FarinoAdd-S33” würden sich glutenfreie Teige mit dem Farinograph kneten lassen, ohne dass die Teige aufschwimmen. Dr. Jens Begemann zeigte in seinem zweiten Vortrag, wie stark sich der Feuchtegehalt einer Getreideprobe auf die Ergebnisse von Qualitätsparametern auswirken kann. Seine Untersuchungen belegen einen deutlichen Einfluss auf die Partikelgrößen. Hieraus lasse sich ableiten, dass die Ergebnisse von Qualitätsuntersuchungen an Getreideproben, die sich im Wassergehalt stark unterscheiden, zu hinterfragen sind. Die Probenvorbereitung habe in den Mühlen eine hohe Bedeutung. Die Probenaufbereitung ist auch entscheidend bei der Bestimmung des Anteils von Ergotalkaloiden – einem unerwünschten Inhaltsstoff in Mutterkorn-Sklerotien. Dorothea Link berichtete über die neuen Grenzwerte in diesem Bereich. Die Ergotalkaloid-Gehalte in den Mutterkörnern seien stark schwankend. Es sei daher erforderlich, beides zu ermitteln, um den Gesamt-Ergotalkaloid-Gehalt in Mahlprodukten zu erhalten. Die Handlungsempfehlungen für Mühlen zum Umgang mit Mutterkorn werden derzeit überarbeitet und sollen den Umgang mit entsprechenden Partien erleichtern.
Alternative Proteine
Dass sich die Analytik im stark wachsenden Segment der glutenfreien Mehle weiterentwickeln muss, betonte Markus Löns von Brabender. Hülsenfrüchte als Proteinlieferanten liegen im Trend und das aus ihnen gewonnene Mehl muss analytisch untersucht werden. Die herkömmlichen Methoden eignen sich für den Umgang mit den glutenfreien Mehlen, bedürften aber Anpassungen. So wurde ein Zusatzmodul für den Farinographen entwickelt und Methoden und Geräte verändert. Trotz guter Ergebnisse besteht weiter Forschungsbedarf. Der Vortrag von Anke Hausmann behandelte die Herstellung von texturierten Fleischalternativen mittels Extrusion. Durch Proteinverschiebung, sprich Feinstvermahlung und anschließender Windsichtung, würde bei Bühler in Zusammenarbeit mit Hosokawa Alpine ein Proteinkonzentrat mit einem Proteingehalt von 55% hergestellt. Die Rügenwalder Mühle steht für den Erfolg von Fleischersatzprodukten in Deutschland. 2021 wurden mehr vegane und vegetarische Produkte als Fleisch verkauft, so Sören Rossmann. Mittlerweile lässt die Rügenwalder Mühle Soja in Brandenburg, NRW, Bayern und versuchsweise in Mecklenburg-Vorpommern anbauen. Konsumenten wünschen mehr Regionalität und Soja eigne sich aufgrund seiner hellen Farbe und des neutralen Geschmackes als idealer Rohstoff.
Gesunde Ernährung
Obwohl Sorghum das fünftmeist produzierte Getreide weltweit ist, ist es in der westlichen Getreide- und Backwarenindustrie weitgehend unbekannt. Bislang wurde Sorghum vor allem für Viehfutter und die Bioethanolproduktion verwendet. Sorghum kann warmen Wetter problemlos standhalten und habe Potenzial für Europa, so Rubina Rumler. Sie erforschte im Projekt „Klimatech” an der Boku Wien, inwieweit Sorghum als Beimischung in Weizenmehlen genutzt werden kann und berichtet über positive Erfahrungen. „Altbewährtes” als Trend – dafür steht Hafer. Caroline Nichols sprach in ihrem Online-Vortrag von der Kraft des Hafers. Sie ist Buchautorin und Geschäftsführerin der 3Bears Food GmbH, die den deutschen Cerealien markt durch innovative Haferprodukte wie Porridge, Riegel oder „Hot drops” ergänzte.
Aus- und Fortbildung
Die Suche nach Auszubildenden beschäftigt die Branche. Auch die Gewerbliche Schule Im Hoppenlau, Stuttgart, hat rückläufige Schülerzahlen. Petra Sträter möchte den Beruf des Müllers wieder mehr in den Fokus rücken. Sie fordert mehr Sichtbarkeit, aktiv auf Bewerber zuzugehen und Perspektiven aufzuzeigen – sowohl von Seiten der Betriebe als auch der Schulen. Anne-Kristin Barth vom VDM unterstrich ebenso die Notwendigkeit, den Bekanntheitsgrad des Müller-Berufes zu steigern.
Der Schlussvortrag der Müllerei-Tagung lag in den Händen des Nachwuchses. Die DMSB-Absolventen Jeffrey Freiter und Maren Sting stellten die Ergebnisse ihrer Projektarbeit vor: die Planung einer Reinigung in ein neues Silogebäude mit Anbindung an das Gebäude der Mühle Sting. Die Umsetzung steht nun an – ein Beispiel für das gelungene Zusammenspiel von Ausbildung und Praxis.
Ausstellerforum
Die Austeller können hier in Kurzform ihre Neu- und Weiterentwicklungen präsentieren. Emirhan Baydur stellte depart vor, ein Unternehmen der alapala-Gruppe, das Ersatzteile für Müllereimaschinen aller Hersteller weltweit vertreibt. Christian Müller von PerkinElmer sprach darüber, wie man Digitalisierung in der Produktion gewinnbringend einbringen kann. Mit smarter Prozessanalytik lasse sich Energie einsparen, Produktionskosten senken und eine stets gleichbleibende Produktqualität sicherstellen. Carola Feindt von Romer Labs stellte den „AgraStrip® Pro Watex” zur schnellen Mykotoxinanalyse für Rohstoffe vor. Wie man mit alternativen Energiekonzepten und passgenauen Produktionssystemen Optimierungspotenziale erschließen kann, erläuterte Burkhardt Arendts von Schulz Systemtechnik.