Farina Mühle senkt Energiekosten dank thermischer Verwertung
Mit der Kraft der Sonne und des Getreidestaubs
Farina Mühle senkt Energiekosten dank thermischer Verwertung
Mit der Kraft der Sonne und des Getreidestaubs
Farina Mühle senkt Energiekosten dank thermischer Verwertung
Mit der Kraft der Sonne und des Getreidestaubs
Andreas Seidl ist Müllermeister und hat eine Heizungsanlage mitentwickelt, die Staub aus der Produktion verbrennt. Ein Teil der Energie, die die Farina Mühle in Raaba bei Graz verbraucht, kann er mit der Wärme aus der Staubverbrennung ersetzen.
In seinem Büro erzählt uns Andreas Seidl, weshalb er eine Anlage zur Staubverbrennung in der Farina Mühle einbaute. Schnell hat der Produktionsleiter alle Baupläne parat. Mit einer Leistung von 180kW ging die Anlage 2019 an den Start. Eine alte Ölheizung musste damals ersetzt werden. Rund 400t im Jahr verbrennt sie an Staub aus der Produktion und erzeugt damit die Raum- und Trocknungswärme der Mühle. Früher musste die Mühle für die Entsorgung des Getreidestaubs bezahlen, heute spart sie damit Geld.
Mit der Kraft des Staubes ersetzt der Mühlenbetrieb jedes Jahr rund 90.000l Heizöl. Das Investment von insgesamt 460 000 Euro – davon 160 000 Euro aus der kommunalen Umweltförderung - hat sich bereits nach zweieinhalb Jahren ausgezahlt: „Die Anlage war von der Amortisationsdauer her, die bisher beste Investition meines Geschäftslebens,“ erzählt Andreas Seidl zufrieden. Der Weg dahin war knifflig, gibt er zu: „Wer eine fertige Anlage geliefert haben möchte, die vom ersten Tag an rund läuft, wird eventuell enttäuscht.“ Von Vorteil sei es, wenn man selbst die Wartung übernimmt und eingreifen kann. Empfehlen würde er die Komplettlösung auf jeden Fall.
Pilotprojekt mit Anlaufproblem
Den Ökotherm Heizofen hat die deutschen Firma A.P.Bioenergietechnik GmbH geliefert. Der Heizungsbauer aus Hirschau hat über 30 Jahre Erfahrung mit der Verbrennung halmgutartiger Biomasse. „Brennstoffe aus Mühlenresten technisch sauber thermisch zu verwerten ist nicht einfach,“ erklärt Philipp Schneider. Er ist technischer Projektleiter und verantwortlich für die Lösung der Farina Mühle. In Deutschland gibt es kaum Firmen, die geeignete Heizanlagen für Getreideabgang aus dem Mühlenprozess vertreiben. Kleinere Öfen bis 100kW bietet aktuell nur A.P.Bioenergietechnik an, da keine andere Firma die Zulassung für das Verbrennen halmgutartiger Brennstoffe hat.
Der Brennstoff der Farina Mühle besteht vor allem aus mehligem Getreideausputz und zu einem geringen Teil aus Getreideresten wie Spelzen, Bruchkorn und Stroh. Das Fasermaterial ist wichtig, denn reinen Staub kann der Ofen nicht verbrennen. Es ist kein genormter Brennstoff und die Zusammensetzungen des Brennstoffs variiert, was Auswirkungen auf Brennwert und Aschegehalt hat. Öfen für halmgutartige Brennstoffe sind immer noch Nischenprodukte. Aber sie lohnen sich, betont Philipp Schneider: „Die Biomasse-Heizanlagen sind sicher aufwendig und wartungsintensiv, aber rechnen sich über die Zeit.“
Kluges Energiekonzept
Andreas Seidl führt uns in ein kleineres Gebäude neben dem Silogebäude. Dort hat ein örtlicher Installationsbetrieb die Heizanlage aufgebaut. Am großen Brennstoff-Silo können wir durch ein Sichtfenster den staubigen Brennstoff sehen. Staub und Verbrennung im Mühlenbetrieb –uns wird etwas mulmig. Der Brandschutz prüft die Anlage regelmäßig, beruhigt uns Andreas Seidl. Auch A.P.Bioenergietechnik ging beim Explosionsschutz keine Kompromisse ein und die Mitarbeiter arbeiteten sich für das Projekt in die österreichischen Brandschutz-Verordnungen ein. Der Hersteller steht in der Pflicht alle Vorschriften einzuhalten und hat deshalb Risikoanalysen auch für Extremfälle erstellt. Vor allem bei einem Stromausfall muss die Anlage sicher sein. „Dank mechanischer Maßnahmen wie Brandschutz-Klappen und einer mechanischen Wasserlöschung haben wir das Ziel erreicht“, so Philipp Schneider. Das Ingenieurbüro Gromex von Dipl.-Ing. Robert Maderböck hatte die Endabnahme und überprüft weiterhin jedes Jahr den Brand- und Explosionsschutz.
Die Ökotherm Compact Biomasse-Heizanlage in der Farina Mühle ist vom Typ C2 mit einer Leistung von 180kW. Im Inneren des rot lackierten Metallkasten sind sowohl Brennmulde als auch Wärmetauscher kombiniert. Die Biomasseanlagen von 50 bis 950kW Leistung sind von der Konstruktion ähnlich, unterscheiden sich aber in den Größenverhältnissen und in baulichen Details. Bei dieser Art der Energieerzeugung ist es wichtig, eine gleichmäßig hohe Auslastung des Ofens zu erreichen. Deshalb muss jede Anlage individuell für den Anwender und seinen Bedarf ausgelegt werden. Sie soll gut ausgelastet und möglichst lange mit einer hohen Leistung laufen. Dann hat sie geringe Emissionswerte und erreicht die Umweltziele. Vom Verbrennungsprozess bleibt Asche übrig, die gesammelt und als Dünger genutzt werden kann.
Ein hydraulischer Schieber sorgt für regelmäßige Bewegung im Glutbett und eine automatische Entaschung. Indem seitlich Luft eingeblasen wird, kann im Brennkessel eine hohe Temperatur erreicht werden. „Eines der Anfangsprobleme in Raaba war eine zu geringe Kühlung. Durch die hohen Temperaturen verformten sich die 12 mm dicken Stahlplatten“, erinnert sich Andreas Seidl. Er hat ein Faible für alles Technische und löste mit Hilfe des Betriebsschlossers einige der Probleme der Anlage kurzerhand selbst.
Dank der fast rückstandslosen Verbrennung des Getreideausputz sowie der nachgeschalteten Staubabscheidung durch einen Gewebe-Filter ist die Anlage im Feinstaubgrenzgebiet von Graz mit seinen hohen Auflagen nach den Anfangsschwierigkeiten jetzt gut aufgestellt. Seit zwei Jahren arbeitet sie reibungslos. Bald wird Andreas Seibl die Produktion der Farina Mühle mit konventioneller Roggenverarbeitung erweitern. Dann möchte er einen zweiten Ofen bestellen. „Durch die verbesserte Kühlung entsteht jetzt weniger Schlacke bei gleichzeitig niedrigeren Emissionen,“ so Philipp Schneider. In Hirschau testet er mit seinen Kollegen ständig neue Brennstoffe. Die thermische Verwertung von Reststoffen ist im Trend, aber rechtlich in Deutschland streng geregelt. Aktuell prüfen die Techniker die Verwertung von Laub.
Sonniges Ausnahmetalent
Schon immer hat sich der gelernte Müller dafür interessiert, Energie einzusparen und kostengünstige Energieträger einzusetzen. Für sein Engagement wurde Andreas Seidl sogar vom Ministerium ausgezeichnet. „Bio-Reste werden ökologisch verwertet und wärmen Haushalte in der Landeshauptstadt“, freut sich der örtliche Energielieferant Energie Steiermark.
Einsparung von 250 Tonnen CO2 im Jahr seien mit der Farina-Mühle als Fernwärme-Lieferant möglich. Die Energie Steiermark übernimmt die überschüssige Öko-Wärme der Mühle ins Netz und kann so zusätzlich rund 100 Single-Haushalte mit „grüner“ Fernwärme versorgen. „Wir hatten das Glück, dass hier die Fernwärme am Standort vorbeiführte und wir lediglich fünf Meter Leitung und einen Wärmetauscher brauchten“, erzählt Andreas Seidl.
Draußen geht die Mühlenbesichtigung weiter über den Hof und zur Annahme. Hier in der Farina Mühle läuft alles rund. Firma Kastenmüller Systems Austria (KSA) aus Pöllau hat die Annahme mit einem Pfeuffer Rakoraf gebaut. Im Minutentakt fahren LKW mit Rohstoffen an uns vorbei und auf dem Hof werden die gelben firmeneigenen Transporter mit dem Schriftzug „Kraft der Sonne“ mit Ware befüllt. Passend schickt uns die Sonne ihre wärmenden Strahlen vom Himmel.
Als erste Mühle Österreichs verkleidete die Farina Mühle 400 qm der Außenwand mit einer Photovoltaik-Anlage. Damals die größte Fassaden-Anlage Österreichs. Die Sonnenkraft nutzt die Mühle aber nicht selbst, sondern speist den Solarstrom ins Netz ein. Rechnerisch decken der Solarstrom und die thermische Verwertung 7% des Energiebedarfes der Mühle.
Keine Bildschirm-Müller
Vom Hof steigen wir vier Etagen hoch in die Mühle. Fotografieren dürfen wir überall. In der Mühle laufen reihenweise Walzenstühle, mehrere Ausleser der Marke Sortex von Bühler kümmern sich um die Reinheit der Rohstoffe und im Labor wird die Qualität mit Geräten von Brabender und PerkinElmer geprüft. Die Wartung der Laborgeräte und das Eichen übernimmt die Firma KSA aus Österreich.
Andreas Seidl ist seit 34 Jahren Müller und macht den Job, seit er 19 Jahre alt war. In Wels besuchte er die Meisterschule für Müller und trotz der modernen Technik, die er heute einsetzt, hält er es mit der alten Schule. „Dem Nachwuchs geht das Gefühl für das Produkt verloren, wenn sie nicht mehr am Produkt arbeiten“, so sein Eindruck. Für ihn ist es wichtig, dass seine Auszubildenden und Mitarbeiter Mehl und Gries fühlen. Deshalb sind Proben ausgelegt. „Das Produkt muss man spüren“, erklärt Andreas Seidl. „Es gibt immer mehr Bildschirm-Müller“. Jeden Tag prüft er deshalb mit seinen Azubis die Muster der gesamten Passagen. „Das lernen sie in der Schule nicht mehr und gerade bei den immer spezieller werdenden Produktanforderungen ist das Gefühl für Aroma oder Textur sehr wichtig.“
Für die Zukunft planen
Als Andreas Seidl seine Arbeit am Standort Raaba begann, gehörte die Mühle noch nicht Goodmills, einem Tochterunternehmen der Leipnik-Lundenburger Invest Beteiligungs AG. Heute ist er Produktionsleiter für die drei österreichischen Mühlen des größten Mühlenkonzerns Europas. Die Farina-Mühle zählt zu den bedeutendsten Mühlen Österreichs. Der Betrieb beschäftigt 45 Mitarbeiter die jährlich rund 90.000 Tonnen Getreide zu Haushaltsmehlen, Spezialmehlmischungen, Hartweizengrießen sowie Bäcker- und Industriemehlen verarbeiten. 15 Millionen einzelne Pakete verlassen jährlich das Werk. In der Steiermark und in Kärnten ist Farina die Nummer eins im Paketmehlbereich.
Neben der gewerberechtlichen Verantwortung für den Standort Farina, ist Andreas Seidl für alle Standorte der GMÖ für die Produktion und Technik zuständig. Immer wieder muss er seine Erzählungen unterbrechen. Das Telefon klingelt, sein Rat ist gefragt. „Das war jetzt aber privat“, erklärt er lachend. Bei all den Projekten und Mühlen, die er betreut, bleibt dafür noch Zeit? Entspannung findet er als Kapellmeister der örtlichen Blaskapelle und er zeigt uns ein Foto seiner vier Oldtimer. In seiner Freizeit schraubt er an den prächtigen Fahrzeugen rum oder fährt sie aus. Zur Ruhe wird der Müller jedenfalls so bald nicht kommen, dazu gibt es zu viel zum Tüfteln – privat und dienstlich.