Evolution der Technologie für Mühlen und andere Getreideverarbeiter
Kundenevent von Swisca in der Schweiz
Evolution der Technologie für Mühlen und andere Getreideverarbeiter
Kundenevent von Swisca in der Schweiz
Evolution der Technologie für Mühlen und andere Getreideverarbeiter
Kundenevent von Swisca in der Schweiz
Das Ostschweizer Technologieunternehmen Swisca lud im September 2024 Kunden aus der ganzen Welt in die Kantone Appenzell und St. Gallen ein. Dort präsentierten die Schweizer Ingenieure ihre Neuentwicklungen. Mühle + Mischfutter besuchte die dreitägige Veranstaltung.
Mit einem freundlichen „Hoi“ begrüßen die Appenzeller ihre Gäste. Das passt zum Motto „Home of Innovation“, des ersten Kundenevents der Swisca AG. Im kleinen Ort Appenzell gründeten vor sechs Jahren die ehemaligen Mitarbeiter der Bühler AG und Spezialisten für Mühlentechnik Heinz Brand, Andreas Kleiner und Stefan Sonderer das Unternehmen.
Verwaltungsrat Peter Steindl hieß zu Beginn der Veranstaltung die zahlreichen Müller und Mühlenmitarbeiter willkommen, die aus Europa, Nord- und Mittelamerika, Afrika und Asien angereist waren. Im Jahr 2018 startete das Unternehmen mit dem Ziel qualitativ hochwertige Waagen für die Lebensmittelindustrie herzustellen. Daraus leitet sich der Name Swisca ab, eine Kombination von Swiss und Scale. Bei den präzisen Waagen und Dosiersystemen blieb es aber nicht. In Zusammenarbeit mit Universitäten fand Swisca eine neue Lösung für die Getreidenetzung (siehe Bericht zu DAMPE in M+M 12/2024, S. 24). Der Walzenstuhl ROMIL wurde dieses Jahr erfolgreich auf der IAOM in Salt Lake City vorgestellt und bereits in Mühlenbetrieben installiert. Swisca hat zwei IAOM Innovation Awards erhalten, hält 13 Patente und hat inzwischen über 70 Mitarbeiter.
Heinz Brand gab im Anschluss einen Ausblick auf künftige Vorhaben seines Unternehmens und informierte über den Plansichter SIFTO, der in der Entwicklung ist und nächstes Jahr auf den Markt kommen soll.
Es ist abzusehen, dass die Zentrale und die Fertigungshallen in Flawil zu klein werden. Deshalb wurde bereits in Herisau, Appenzell Ausserrhoden, ein Grundstück für einen Neubau erworben, der ca. bis 2028 fertiggestellt sein soll, so der enge Zeitplan.
Hopfen und Malz sind nie verloren
Kreativität und Innovationen spielten im folgenden Vortrag von Karl Locher ebenfalls eine große Rolle. Der Schweizer Unternehmer leitet in der fünften Generation die Brauerei Locher AG und produziert Appenzeller Bier. Seine Brauerei steht im harten Wettbewerb, deshalb setzt der Brauer auf Spezialitätenbiere sowie auf Bügelflaschen, Biobier, Glühbier für den Winter und Bier in Champagnerflaschen – um nur einige Produkte zu nennen. Er ist sogar der größte Whiskeyproduzent der Schweiz. „Es gibt eine riesige Welt für Innovationen – man muss nur darüber nachdenken“, so Karl Locher. Für sein Bier sieht er schlechte Zeiten voraus: „Der Druck auf Alkohol wird steigen“, prognostiziert er. Für ihn ist der Trend klar und der heißt: Weg vom Alkohol. Die Brauerei nutzt deshalb ihre Nebenströme und investierte in Extruder für Chips und Fleischersatz. „Wir wollen die erste Brauerei weltweit sein, die den vollen Zirkel der Circular Economy erfüllt“, erklärt Karl Locher die Investitionen und hebt hervor, wie die Techniker von Swisca ihn auf diesem Weg begleiten.
Walzenstuhl neu gedacht
Ingenieur Philippe Holenstein ist bei Swisca der Projektleiter für den Walzenstuhl ROMIL. Zusammen mit Stefan Lutz, der den lateinamerikanischen Markt betreut, beschrieb er die Schritte hin zum neuen Walzenstuhl. Vor drei Jahren setzte sich sein Team mit Kunden zusammen und arbeitete die drei wichtigsten Anforderungen heraus: Eine Speisung, die eine konstante Vermahlung ermöglicht, eine Bedienung, mit der der Mahlspalt mühelos und präzise auch mit bemehlten Händen verändert werden kann und eine bessere Hygiene.
Herausgekommen ist eine Maschine aus Edelstahl, mit Radar-Sensoren für die Produktüberwachung und transparenter Speisung mit zwei Verteilschnecken. In der Stadtmühle Schenk in Bern ist der Walzenstuhl ROMIL-4 1000/250 seit Oktober 2023 im Einsatz. Ein vierer Walzenstuhl für Schrot und der ROMIL-8 1250/250 sind seit Januar 2024 in der Mühle der Plange GmbH (Bindewald & Gutting Mühlengruppe) installiert und in der Bavaria-Mühle steht ebenfalls ein ROMIL-8 1250/250.
Nächste Generation Müller
Jonathan Gutting und Felix Rhomberg gaben danach Einblicke in ihre Pläne als künftige Mühleninhaber. Die Bindewald & Gutting Mühlengruppe ist fokussiert auf Industriemehle. Für sie ist der Kontakt zu Technologieunternehmen wichtig, dabei legt Jonathan Gutting aber viel Wert auf das Müllerhandwerk. In den letzten Jahren gab es ein starkes Wachstum und das stellte an jeden Einzelnen höhere Anforderungen, so der junge Müller. Komplexere Fragestellungen zur Umweltfreundlichkeit, Qualitätssicherung und Ernährungssicherheit beschäftigten die gesamte Wertschöpfungskette. Jonathan Gutting sieht neben der Notwendigkeit innovative Techniken einzusetzen die große Herausforderung darin, top ausgebildete Mitarbeiter zu finden. Er hat deshalb in den letzten Jahren den Fokus auf das Recruiting junger Leute gelegt und viel in Bewegung gesetzt. Neben einem Social-Media-Auftritt besuchen junge Mühlenmitarbeiter Ausbildungsmessen, Schulen und verteilen auf Volksfesten auch schon mal Mehltüten für künftige „Mehlionäre“. Alles, um in der Region als guter Arbeitgeber präsent zu sein. Dazu hat er die Abläufe bei der Personalsuche, der Personalauswahl und im Einstellungsprozess effizienter gestaltet und auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten (siehe Bericht M+M 9/2024).
Felix Rhomberg wusste schon im Kindergarten, dass er Müller werden möchte. Seine Familie betreibt die Vorarlberger Mühlen und Mischfutterwerke GmbH in Österreich. Die Mehlmühle mit einer Gesamtvermahlung von 20 000 t und 16 Mitarbeitern möchte er von seinem Vater Franz Rhomberg übernehmen, trotz Bäckersterben. 2023 wurden 86% des Brotes in Supermärkten gekauft und diese Entwicklung geht weiter, so der junge Müller. Die Anzahl der Bäckereien in Vorarlberg ist von 150 auf 60 Bäckereien zurückgegangen. Für den im europäischen Wettbewerb kleinen Mühlenbetrieb ist das eine große Herausforderung. Bisher wurde er von den Rhombergs gut gemeistert. Ihr Betrieb wurde Unternehmer des Jahres 2023 und belegt den ersten Platz in der Kategorie „Beste Marke“. Der Familienbetrieb setzt auf Spezialprodukte. Eine weitere Herausforderung ist die Mitarbeitersuche. In Voralberg müssen die Rhombergs mit vielen Industriebetrieben um gut ausgebildete Kräfte konkurrieren. In den letzten vier Jahren stiegen ihre Personalkosten um 25%. Deshalb setzt Felix Rhomberg auf Automatisierung. Seine Vision für 2040 ist es, als regionaler Betrieb weiter zu wachsen und jeden Haushalt mit mindestens einem Kilogramm Vorarlberger Mehl zu versorgen.
Neue Siebe inspiriert von der Natur
Jonas Schär ist Leiter des Entwicklungsteams und ein kreativer Kopf. Vor Swisca war der Ingenieur u.a. als Konstruktionsleiter bei Solar Impulse, gegründet vom Schweizer Piloten und Dozenten Bertrand Piccard. Ziel war ein Flugzeug zu entwickeln, das nur mit Solarenergie einmal um die Erde fliegen kann. Flugzeugfirmen lehnten den Bau eines solchen Fliegers als nicht machbar ab. Dem Team um Jonas Schär gelang es, die richtigen Komponenten, Spannweiten und Gewichte zu finden und ein solarangetriebenes Flugzeug für die fünfmonatige Reise um die Welt zu konstruieren. Bei SWISCA schätzt Jonas Schär die kurzen Wege und schnellen Entscheidungen. Er sieht in Appenzell nicht nur seine, sondern auch die Zukunft der Müllereitechnik.
Nachdem Jonas Schär Kunden nach deren Wünschen und Anforderungen befragte, begann seine Entwicklungsarbeit. „Es ist möglich einen modularen Sichter zu bauen, ohne Türen und Gehäuse“, erklärte er auf der Veranstaltung sein Konzept aus einem kompakten Modulsystem, das zerleg- und tragbar ist.
Für den neuen Sichter SIFTO verwendet der Ingenieur rostfreie Siebträger und Siebe aus Metallfolie. Auf Klebstoff kann er so komplett verzichten. In der Mitte befindet sich die Antriebsplattform, über und unter der die Siebe gestapelt sind. Mit einem Hebel werden die Siebe gespannt und die Rahmen aufeinandergepresst. Die Materialien schließen so dicht ab, dass Gummidichtungen überflüssig sind und kein Mehl austreten kann. Mit dem neuen Sichter können pro Quadratmeter mehr Siebflächen in der Mühle verbaut werden, da unter anderem auch das klassische Antriebsabteil entfällt.
Die neue Mühle
Stefan Lutz und Stefan Schmitz führten am späten Nachmittag alle Puzzleteile zusammen und stellten die Vision einer Swisca-Mühle vor. Pneumatiküberhebungen sollen durch ein flexibleres Layout mit tendenziell mehr Stockwerken reduziert werden, um Energie zu sparen. Diese Flexibilität bedient z.B. einen hohen Automatisierungsgrad und modulare Komponenten. Aber das ist Zukunftsmusik, mehr dazu wird es auf dem geplanten zweiten Firmenevent in drei Jahren geben.
Am nächsten Tag besichtigten die Kunden den Sitz des Unternehmens in Flawil. Dort in den Fertigungshallen gab es reichlich Gelegenheit sich zu den Produkten Informationen aus erster Hand von den verantwortlichen Technikern zu holen. Paul Gaigl ist Müllereitechnologe und führte zusammen mit seinem Kollegen David Schneider die Komponenten von Swisca vor.
Die elektrischen Klappenkästen EFLAP sind für feine und grobe Produkte konzipiert und aus rostfreiem Stahl gefertigt. Das Besondere an den Klappen sind die Servoantriebe, erklärte Paul Gaigl.
Dank denen benötigt man keine Druckluft mehr. Die Idee dazu kam den Technikern, als sie bei einem Kunden neue Waagen im Silobereich installierten. Der Kunde ärgerte sich, weil er nur für seine Klappenkästen Druckluft in das Gebäude legen musste. Diese Installationskosten hätte er sich gerne erspart. „Wir dachten, das kann man besser machen und entwickelten mit den Servomotoren unserer Waagen die neuen Klappenkästen. Sie haben auch den Vorteil, nicht so schnell abzunutzen, denn es schlägt nichts mehr hin und her wie bei der Druckluft“, so der junge Techniker.
Eine weitere Verbesserung zeigte uns Paul Gaigl am Filter. Dank neuer schraubenloser Aufhängung ist der Korb in einigen Sekunden ohne Werkzeug auszuhängen. Der Austausch aller Körbe dauert fünf Minuten. Bei herkömmlichen Filtern ist das zeitintensiver und am Verschlussring muss zudem eine Schraube gelöst werden, was zu zusätzliche Gefahren bis hin zum Funkenschlag führen kann.
In der zweiten Werkhalle führte Philippe Holenstein das Innenleben des Walzenstuhls ROMIL vor.
Der Ingenieur hat in Zusammenarbeit mit einem Sicherheitsexperten darauf geachtet, dass die Abdeckungen ohne Verschlüsse leicht zu öffnen sind. „Wenn der Müller eine Maschine bedienen soll, muss er sofortigen Zugriff auf sie haben“, erklärte er.
Den Mahlspalt kann der Müller am ROMIL mit Knöpfen und einem kleinen Handrad verstellen, wobei das Bedienpult haptisches und optisches Feedback gibt. Je kleiner der Mahlspalt, desto schwerer verstellbar ist das Handrad, bei erfolgreicher Bedienung leuchten die Knöpfe auf. „Wir haben darauf geachtet, dass alles einfach einzustellen und intuitiv ist“, betonte Philippe Holenstein.
Zwei Verteilwellen und die Walze haben separate Antriebe. Beide können im Prozess variabel verstellt werden. Wichtig war dem Techniker, dass die Maschine – insbesondere die Speisung- restlos entleert werden kann. Kein Produkt muss mühsam per Hand herausgenommen werden. „ROMIL hat nur noch einen Spalt von 0,5 mm. Wir haben die Maschine nach langer Einsatzdauer aufgemacht und geschaut, wie es hinter Speisewalze aussieht und es waren keine Produktreste mehr dort“, so Philippe Holenstein.
ROMIL punktet bei der Walzentemperaturüberwachung mit fixer Verkabelung und nahe an der Walzenoberfläche positionierten Sensoren. Über Streifenbildung auf den Mahlwalzen kann der Müller einfach erkennen, ob er die Walze wechseln muss. Einen weiteren Vorteil beim Walzenwechsel bietet der Servomotor. Ist die Walze eingesetzt, kann der Müller einfach den Deckel zuklappen und sie wird automatisch kalibriert.