Mühle
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Neustart der ersten Biomühle Deutschlands

Antersdorfer Mühle 2.0

Veröffentlicht am: 
17
August
2023
Lesezeit:
0
Min

Neustart der ersten Biomühle Deutschlands

Antersdorfer Mühle 2.0

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17
August
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Antersdorfer Mühle 2.0

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17
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Antersdorfer Mühle 2.0

Neustart der ersten Biomühle Deutschlands

Antersdorfer Mühle 2.0

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Veröffentlicht am: 
17
August
2023
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Bild von: 
Patrick Buhl
Die Antersdorfer Mühle 2.0

Im April 2023 wurde die neue Antersdorfer Mühle in Simbach am Inn in Niederbayern feierlich eingeweiht. Familie Priemeier ist stolz, die Tradition ihrer 1884 gegründeten Getreidemühle mit einer der modernsten Biomühlen Europas fortzusetzen.

Gastartikel von:
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Der Ururgroßvater von Johann Priemeier legte 1884 den Grundstein für die Mühle in Antersdorf, einem Gemeindeteil von Simbach am Inn. Umgeben von Bauern sicherte die Getreidemühle über Generationen das Einkommen der Familie. Johann Priemeier erlernte wie sein Vater den Beruf des Müllers. Er war Neuem gegenüber aufgeschlossen und überlegte früh, wie er die Mühle für die Zukunft aufstellen kann. Vor allem die jungen Leute, die in den 70er-Jahren aus München in die Gemeinde zogen und Ideen zum ökologischen Landbau mitbrachten, weckten seine Neugier.

Mann vor Getreidemühle
Johann Priemeier hat seine Biomühle lange geplant und für die Zukunft gut aufgestellt. Fotos: Patrick Buhl

„Damals gab es in der Landwirtschaft drei Probleme“, erinnert sich Johann Priemeier: „Die Bauern produzierten viel, bekamen dafür zu wenig Geld und damit sie noch mehr produzieren konnten, düngten sie mit Chemie.“ Dagegen produzieren die Biobetriebe weniger, die Biobauern bekommen mehr und die Konsumenten ernähren sich gesünder. Irgendwann fuhr ein bärtiger Mann in einem VW-Bus vor und bat den jungen Müller drei Säcke Hafer zu Flocken zu vermahlen.

Die ersten Haferflocken waren noch voller Spelzen. Johann Priemeier probierte weiter und verfeinerte seine Prozesse. Überall gaben zu der Zeit Mühlen auf. Neue Geschäftsmodelle mussten her. Nach und nach kamen immer mehr Kleinanbauer mit ihrem Öko-Getreide zur Antersdorfer Mühle. Johann Priemeier nahm die Herausforderung an und stellte seine Mühle komplett auf Bioprodukte um.

Heute arbeitet der Unternehmer erfolgreich mit rund 250 Biobauern der Region und dem Verband Biokreis – den er mitgegründet hat - zusammen. Seine Mühle fördert das Konzept von Regionalität und nimmt Rücksicht auf die Fruchtfolge, die der Landwirt bestimmt. Einige Biobauern haben sich dem Erhalt alter Sorten verschrieben, deshalb hat die Mühle ein Ursprungssortiment im Angebot. Unter der Marke „Antersdorfer Mühle“ werden nicht nur Getreide und Mehle angeboten, sondern auch Müslis, Fertiggerichte und Riegel.

Schutzengel bei Jahrtausendflut

Das Unglück der alten Biomühle begann an einem wolkenverhangenen Mittwoch Anfang Juni 2016. Über dem Tal lag ein Tiefdruckgebiet, umzingelt von Hochdruckgebieten. Eine seltene und extreme Wetterlage. Die Regenwolken standen still und entluden stundenlang ihre Fracht. Irgendwann stieg Johann Priemeier voller Sorge ins Auto und fuhr zur Mühle. Da war das Wasser des Bachs bereits angestiegen und der untere Stock der Mühle überschwemmt. Er wendete und wollte zurück. In dem Moment spülte eine ungeheure Wasserwelle die Brücke weg. Sein Auto wurde mitgerissen und Johann Priemeier rettete sich in letzter Sekunde aus dem Seitenfenster.

Handyfoto von Flut
Anwohner fotografierten, wie Johann Priemeiers Auto im Hochwasser versinkt. Foto: Unbekannt.

Die Jahrtausendflut hat Simbach und den Landkreis Rottal-Inn verändert. Normalerweise hatte der Mühlbach eine Höhe von 30cm. 2016 stieg das Wasser auf 540cm an. Nach dem Starkregen wälzte sich eine fast fünf Meter hohe Flutwelle mit vernichtender Kraft durch die Stadt. Sieben Menschen starben bei der Katastrophe.

Das Hochwasser zerstörte die Mühle. Elektrik, Rohre und Maschinen waren größtenteils nicht mehr zu reparieren. Die Lager- und Abpackräume am zweiten Standort im Ort wurden verschont. So konnte Familie Priemeier wenigstens die Bäcker beliefern und ihre Markenprodukte vertreiben. Ohne Versicherung war sie auf Unterstützung angewiesen. Die Nachbarschaftshilfe funktionierte, viele Müller halfen bei der Produktion und die meisten Kunden hielten die Treue. Der Großhändler Ökoring richtete ein Spendenkonto ein und auch der Verband Biokreis griff der Familie unter die Arme.

Masterplan für den Neustart

Es folgten schwere Jahre. Am alten Standort durften die Priemeiers nicht neu bauen und oft dachte Johann Priemeier ans Aufgeben. Aber der Wunsch, die Mühle wieder aufzubauen, war stärker. Am neuen Standort im Gewerbegebiet Waltersdorf gab es im Mai 2020 den ersten Spatenstich. Mit dabei Seniorchef Hans Priemeier. 14 000 Quadratmeter groß ist das Grundstück, 4 200 Quadratmeter Grundfläche nimmt das Mühlengebäude ein. Bis die Mühle im Januar 2023 in Betrieb ging, dauerte es über zwei Jahre. Kosten: ein zweistelliger Millionenbetrag. Der Masterplan lag in den Händen von Markus Nussbaumer. Mit seinem Unternehmen Numitec aus Kirchberg übernahm er die Projektevaluierung und koordinierte die beteiligten Firmen u.a. Bühler, Kastenmüller, Pfeuffer, Swisca, Sallhofer und BHS Control Systems.

Die neue Biomühle ist weithin sichtbar. Ihr Siloturm ist fast 40 Meter hoch. Allein die Hafermühle kann pro Tag 100t zu Flocken vermahlen. Geschäftsführer ist in der 5. Generation Johannes Priemeier. Der Wirtschafts- und Agraringenieur Sebastian Huber ist als CEO für Einkauf und Vertrieb zuständig. Rund 25 Mitarbeiter sind im Zweischichtbetrieb beschäftigt.

Annahme und Steuerung

Schon bei der Annahme des Getreides begegnen dem Besucher bekannte Herstellernamen. Mit dem Rakoraf der Firma Pfeuffer wird der angelieferte Hafer beidseitig beprobt. Nur beste Ware kommt über den Aspirateur in die Mühle. Wohin mit der Ladung, dass prüfen die Müller an der Steuerungsanlage. Die hat die Firma BHS Control Systems aus Sonthofen installiert. Die Software ist einfach zugänglich, auch für neue Mitarbeiter. „Unsere neue Mühle ist ein Ausnahmebeispiel für biologische Getreidelagerung und zukunftsweisende Vermahltechnik", erklärt Johann Priemeier, „Dank der technischen Ausstattung können wir gewährleisten, dass unsere Produkte die Mühle einwandfrei verlassen."

Mann vor Computer
Johann Priemeier in der Steuerungszentrale der Biomühle.

Das Steuerungssystem ist auf den Kundenwunsch zugeschnitten und über mobile Endgeräte abrufbar. Mitarbeitende sind so jederzeit informiert und können bei Störungen eingreifen. In der Steuerungszentrale sind auf zwei Bildschirmen alle Prozesse anschaulich dargestellt. Die einzelnen Getreidesorten sind farblich gekennzeichnet. Säulen zeigen, wie hoch die Lagerzellen gefüllt sind und welche Temperaturen dort herrschen. Zeigt der Alarm, dass eine Temperaturgrenze überschritten ist, kann mit Kühlaggregaten die Zelle gekühlt werden, damit sich keine Schädlinge bilden. „Wir lösen die Lagerung technisch und nicht chemisch“, erklärt Johann Priemeier das Prinzip. „Die Technik ist in der neuen Biomühle verbessert, der Mechanismus ist derselbe.“ 72 Silozellen gibt es mit einer Lagerkapazität von 8 500t. Der Markenname Swisca fällt an den vielen Mengenreglern ins Auge.

Eine Differential-Dosierwaage von Swisca.

Besonders ist, dass das Getreide aus den Silos nicht nur abgelassen, sondern auch wieder zurückgefüllt werden kann.

Reinigung Schälung Flockierung

Die Bio-Mühle hat den Fokus auf ein flexibles Verarbeitungssystem, mit der Möglichkeit regional angebaute Dinkel- und Hafersorten zu verarbeiten. Die Schällinie wurde mit dem Schäler MHSA ausgeführt, einmal als Hauptschäler und einmal als Rücklaufschäler. Im Anschluss erfolgt die Schalenseparation mit anschließender Sortierung über einen Tischausleser BSOA und eine mehrstufige Sortierung über die Sortex A.

„Unser Ziel waren einwandfrei, sauber sortierte Kerne mit dem geringstmöglichen Schalenanteil“, erklärt Andreas Müller, Area Sales Manager von Bühler das Konzept. Die geschälten Kerne werden in Rundsilos zwischengelagert und entweder auf die Grützierung und als Kleinblattflocken oder direkt als Großblattflocken flockiert. Das Flockierwalzwerk verfügt über eine automatische Mahlspaltverstellung mit integrierter Walzentemperaturregulierung, welche über die Maschinensteuerung vollautomatisch geregelt wird. Dort werden alle Flockierwalzwerkparameter in Rezepten hinterlegt und abgerufen, um eine immer gleichmäßige Flockenqualität zu erreichen.

Des Weiteren wurde eine zweistufen Schleiferei mittels DRHG integriert. Die Graupen bzw. geschliffenen Produkte können direkt den Fertigproduktezellen zugeführt werden. Neben Dinkel und Hafer lassen sich auch weitere Produkte wie zum Beispiel Weizen, Roggen und Gerste verarbeiten. Produktüberhebungen wurden größtenteils mit Druckpneumatik ausgeführt, um einen restfreien und schonenden Produkttransport zu gewährleisten. Wo sinnvoll, wurde auf rostfreies Material geachtet. Die notwendige Aspirationsluft wird bei den Prozesslinien mit dem Niederdruckfilter MVRT aspiriert und gefiltert, der gegenüber konventionellen Filtersystemen mit Niederdruck-Spülluft die Filterschläuche reinigen. Dies reduziert den Druckluftverbrauch und die Energiekosten.

Saatenreinigung

Die Antersdorfer Mühle verfügt zusätzlich über eine räumlich getrennte Saatenreinigung. Damit können die im Trend liegenden Saaten und Hülsenfrüchte zum Verzehr vorbereitet und höchste Ansprüche an die Produktreinheit garantiert werden.  Vom Siebreiniger LAGA, einem Ultratrieur LADB und einem Steinausleser MTSD lassen sich die Produkte auf zwei speziell konfigurierte Sortex A ColorVision sortieren. Andreas Müller ist zufrieden mit dem Konzept der Hafermühle: „Alle Schnittstellen waren gut vorbereitet und miteinander abgestimmt, so dass alle Parameter erfüllt waren, um die Produktion nach Vorgabe des Zeitplans in Betrieb zu nehmen.“

Die Hafermühle ist mit Bühler Technologie ausgestattet, u.a. mit dem Sotex.

Individuelle Diagrammgestaltung

„Eine große Produktvielfalt bei hoher Qualitätsanforderung“, so beschreibt Andreas Kastenmüller die Herausforderung bei der Planung der Vermahlungssysteme. „Weizen, Durum, Roggen und Dinkel sollen auf einem System vermahlen werden.“ Die Spezialisten aus Martinsried haben dafür die passende Lösung mit ihrer Walzenstuhl-Steuerung Vario-S. Unter Projektleiter Franz Schmid war das Team von Kastenmüller von Anfang an bei der Gestaltung des Gebäudes eingebunden und plante in 3-D das Zusammenspiel von individuell angepasstem Vermahlungsdiagramm und Anlagenkonzeption.

Die Produktion heller und dunkler Mehle sowie Vollkornmehle ist beim Vario-S System Johann Priemeier in der Steuerungszentrale der Biomühle.Johann Priemeier in der Steuerungszentrale der Biomühle.durch die stufenlose Einstellung der Voreilung und Umfangsgeschwindigkeit jeder einzelnen Mahlwalze möglich. Der Produktwechsel ist dank der flexiblen Steuerung mit integrierter Rezeptverwaltung schnell und problemlos. Wird die Rezeptur geändert, stellen sich auch die Klappkästen im Laufrohrbau automatisch um.

Schneller Produktwechsel beim Walzenstuhl Saphir dank Vario-S.

Neben dem Vermahlungssystem gibt es eine kleine Spezialvermahlung für Hafer, Mais, Hirse, Reis, Kichererbsen und Buchweizen mit einer Leistung von 1,5 t/h. Die exakte Absiebung erfolgt hierbei durch Vibroschleudern. Die richtige Materialwahl in den Maschinen ist aufgrund der strengen gesetzlichen Vorgaben bei einer Biomühle entscheidend. Für produktberührende Teile verwendet Kastenmüller deshalb hochwertige und zertifizierte Materialien. Entsprechen werden bei der Auslegung der Reinigung und dem Mehlsilo keine Kompromisse eingegangen und beispielsweise die Abstehzellen und Vorlagezellen aus Edelstahl geliefert.

Team Kastenmüller: (v.l.n.r.) Andreas Kastenmüller, Projektleiter Franz Schmid und Maro Bauer vor einigen Prozess – und Abstehzellen vor dem Einheben.

Großen Wert legten die Spezialisten von Kastenmüller auf ein hochpräzises und energieeffizientes System: „Dank der Gebäudehöhe konnten wir im Laufrohrbau auf eine Mehlsammelschnecke verzichten. Die direkte Rohrführung der Mehle auf die Ausbeutewaagen ist hygienisch und spart Energie“. Auch schnelllaufende Mahlhilfsmaschinen fielen weg und die Kontrollsichtung ist mit einem Abteil im Plansichter enthalten. „Es war eine große Freude bei der Umsetzung dieses anspruchsvollen Projektes maßgeblich beteiligt gewesen zu sein“, zieht Andreas Kastenmüller sein Fazit.

Die Mühle im Bau. Foto: Antersdorfer Mühle
Die Baustelle aus der Luft fotografiert. Foto: Antersdorfer Mühle

Wärmeversorgung und Hygiene

Die Mittel zur Schädlingsbekämpfung sind beim Biobetrieb begrenzt, deshalb haben Vater und Sohn Priemeier eine Wärmeentwesungsanlage einbauen lassen. Die heizt zweimal im Jahr die gesamte Mühle 24 Stunden lang auf mindestens 50 Grad Celsius auf. Nach der Behandlung ist die Mühle mehr oder weniger steril.

Die Rohre in der Mühle lieferten die Spezialisten von Sallhofer.

Die Energieversorgung ist für die Biomühle ein großes Thema und auf dem Dach steht die fast schon obligatorische Fotovoltaik. Die Müllerfamilie arbeitet mit Bio-Gas-Erzeugern zusammen. Die Firma Politechnik aus Österreich hat den Auftrag, eine Feuerungsanlage für biogene Brennstoffe einzubauen. Aus der Verbrennung der Spelzen soll der Dampf zur Wärmeversorgung kommen, so die Idee. Langfristig soll der Stromverbrauch autark und emissionsarm werden. Bis dahin sind einige Hürden zu überwinden. Allein das Bundesimmissionenschutzverfahren kostet 100 000€ und dauert zwei Jahre.

A wie Andersmacher

Der Einbruch des Biomarktes im letzten Jahr hat dem Unternehmen einen Schlag versetzt. Die Umsätze sind um 15% zurückgegangen. Eine Biomühle erfolgreich in die Zukunft zu führen, war und ist kein einfacher Prozess. Geholfen hat Johann Priemeier bei vielen Entscheidungen seine Erfahrungen aus dem Einzelhandel. Er legt Wert auf recyclingfähige Verpackungen und ein Label. Werbung und Social Media sind selbstverständlich.

Aktuell setzt der Bio-Pionier auf zwei Markenbotschafter: Alexandra Burghardt aus Töging am Inn ist eine der schnellsten Frauen Europas und schrieb Sportgeschichte, als sie bei den olympischen Spielen drei Medaillen in zwei verschiedenen Sportarten gewann. Sie ist unweit der Mühle aufgewachsen. Sternekoch Anton Schmaus ist ebenfalls heimatverbunden. Der Ernährungsexperte und Kochbuchautor ist seit 2017 Chefkoch der deutschen Fußballnationalmannschaft. „Ich achte sehr darauf, woher die Produkte, mit denen ich arbeite, kommen und wo sie hergestellt werden“, betont er. „Die Produkte der Antersdorfer Mühle vereinen traditionelles Handwerk mit hochwertigen Rohstoffen und sind daher meine erste Wahl in meinen Restaurants oder bei der Nationalmannschaft.“

Anton Schmaus und Alexandra Burghardt stehen für gesunde Ernährung mit regionalen Produkten und vertreten das Motto von Johann Priemeiers Biomühle „wissen, was gut ist“ nach außen. Foto: Antersdorfer Mühle.

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