Fachtagung der IFF
Von Hanf bis Insekten – alternative Proteinträger im Überblick
Fachtagung der IFF
Von Hanf bis Insekten – alternative Proteinträger im Überblick
Fachtagung der IFF
Von Hanf bis Insekten – alternative Proteinträger im Überblick
Proteine aus alternativen Quellen werden in der Mischfutterzusammensetzung immer wichtiger. Auf einer Tagung des IFF-Forschungsinstitutes Futtermitteltechnik am 11. und 12. Mai 2022 in Braunschweig-Thune wurden die verschiedenen Möglichkeiten intensiv beleuchtet.
Die Bedeutung, die der Verfügbarmachung und Bereitstellung von Proteinen aus alternativen Quellen in der Zukunft zukommt, nimmt stetig zu. Das gilt vor allem für solche Rohstoffe, bei denen keine Konkurrenz zur menschlichen Ernährung besteht. Vor diesem Hintergrund hatte das IFF-Forschungsinstitut Futtermitteltechnik zu der Fachtagung eingeladen, um der Diskussion über alternative Proteinträger für die Futtermittelproduktion ein Forum zu bieten. Mit der Fachtagung sollte mehr Einblick in Wissenschaft und Technik bezüglich alternativer Proteinträger geboten werden. Über 40 Teilnehmende, überwiegend aus der Mischfutterbranche, der Energiewirtschaft, dem Maschinenbau und der Zusatzstoffindustrie, nahmen an der Veranstaltung teil. Auch das Rahmenprogramm – ein gemeinsames Abendessen mit angeregten Diskussionen – wurde gut angenommen. Endlich konnte wieder intensiv „genetzwerkt“ werden. Ganz besonders freuten sich die Veranstalter darüber, dass sie Staatssekretär Prof. Dr. Ludwig Theuvsen vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz aus Hannover für einen Gastvortrag gewinnen konnten. Er schilderte den Teilnehmenden, wie sich die aktuelle Lage in der Ukraine auf die Produktion von Rohstoffen für Futtermittel auswirkt, und zeigte auch Lösungsoptionen vor dem Hintergrund des Krieges auf.
Im Anschluss an die Eröffnung der Tagung durch Prof. Dr. Werner Sitzmann und IFF-Geschäftsführer Rolf-Michael Blume hielt Dr. Verena Böschen von der IFF Braunschweig den ersten Fachvortrag. 80% der landwirtschaftlichen Biomasse kann der Mensch nicht direkt verzehren; lediglich 20% der Getreiderohstoffe sind für die menschliche Ernährung geeignet. Deshalb sind Proteinträger wie Algen, Insekten, Pilze sowie heimische Proteinpflanzen eine wichtige Alternative.
Alternative Proteinträger
Algen sind im Meer lebende Samenpflanzen. Im Gegensatz zum Seetang besitzen Seegräser Wurzeln und können blühen. Algen werden bereits seit Langem als Lebens- und Futtermittel genutzt. Während ihres Vortrages zeigte Dr. Böschen ein Video über die Algenernte. Darin war zu sehen, wie Algen mit einem Schiff abgeerntet wurden. Algenprotein ist hochwertig und enthält alle 21 Aminosäuren. Seine Qualität ist vergleichbar mit jener von Leguminosen. Die Zucht in Aquakulturen ist möglich. Ein schwankender Proteingehalt kann dort durch Temperatursteuerung während des Anbaus beeinflusst werden. Die Rohproteingehalte von Algen sind stark abhängig von der Spezies und der Jahreszeit. Sie betragen z. B. bei
- braunem Seegras: 3–15% (TS)
- grünem Seegras: 10–47% (TS)
- rotem Seegras: 15–49% (TS).
Leguminosen sind sehr eiweiß- und energiereich. Außerdem sind sie ein Stickstoffsammler im Boden. 2021 hat sich der Trend zur Ausdehnung der Anbaufläche von Hülsenfrüchten fortgesetzt. So wurden im aktuellen Jahr auf insgesamt knapp 245000 ha Körnerleguminosen angebaut. Das ist ein Anstieg um mehr als 9% gegenüber dem Vorjahr.
Insekten besitzen ebenfalls einen sehr hohen Proteinanteil und sind leicht zu halten. In puncto Verwertbarkeit und Zucht sind sie gegenüber Rindern wesentlich effizienter. So beträgt der essbare Anteil einer Heuschrecke über 80% – beim Rind sind es nur 40%. Für die Produktion von 1 kg Rind wird viermal so viel Futter benötigt wie für die Produktion von 1 kg Heuschrecken. Insekten haben kurze Generationszeiten und sind bezüglich des Substrates nicht wählerisch. Ihr Lebensraum ist praktisch überall – mit Ausnahme der Ozeane.
Pilze sind ebenfalls gute Rohproteinträger. Es gibt geschätzt mehr als eine Million Arten.In ihrem Fazit machte die Referentin deutlich, dass es durchaus alternative Proteinquellen gibt. Seegräser und Algen verfügen über beträchtliche Gehalte an hochwertigem Eiweiß, werden bisher aber noch zu wenig genutzt. Leguminosen bzw. heimische Eiweißträger können hinsichtlich Ertrag und Qualität mit importiertem Soja zwar nicht mithalten, sind jedoch eine nachhaltige Ergänzung. Insekten, Pilze und maritime Eiweißquellen wiederum eignen sich sehr gut für den Einsatz in Futtermitteln, so Dr. Böschen in ihren Ausführungen.
Sichere Futtermittel
Über „Proteinträger aus Sicht des BfR“ referierte anschließend Robert Pieper vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin. Futtermittel müssen sicher sein – so lautete die Kernaussage des Vortrages. Um bei Futtermittelanalysen immer auf dem neuesten Stand zu sein, arbeitet das BfR mit einigen Referenzlaboratorien zusammen. Salmonellen sind leider immer noch ein Dauerproblem – ihre Bekämpfung bleibt somit ein essenzielles Management-Thema. Sorgfalt bei der Produktion und Wissen über Rohstoffe und Mischfutterherstellung sind hierfür unabdingbar. Probenahme und die Analytik sind wichtige Kriterien bei der Rückverfolgbarkeit. Aber auch der Vorverfolgung bis in den Trog kommt enorme Bedeutung zu. In der EU gibt es ein gutes Schnellwarnsystem, mit dem die Herkunft eines Futtermittels schnell zugeordnet werden kann. Sojaimporte in die EU lassen sich durch Einsatz von Lupinen reduzieren. Auch die Verwendung von Hanf stößt auf immer größeres Interesse. 3 g/kg bzw. 3 µg/kg Körpergewicht sind bei diesen beiden Pflanzen zulässig. Die Verarbeitung von Hanf ist zudem nur unter Ausschluss von THC/THCA erlaubt.
Donau-Soja
Anschließend berichtete Leopold Rittler von der Donau-Soja Organisation, Wien/Österreich, über „Donau-Soja: Stellung auf dem Proteinmarkt“. Donau Soja ist eine Initiative mit dem Ziel einer nachhaltigen Eiweißversorgung in Europa. Sie ist eine unabhängige, mitgliederbasierte Multi-Stakeholder-Organisation. Unterstützt wird sie von 24 Regierungen. Über 250 Mitglieder in mehr als 25 Ländern sind branchenübergreifend untereinander vernetzt. Die Vorteile für die Mitglieder sind zum einen die transparente Marktinformation sowie zum anderen gemeinsame Markt- und PR-Aktivitäten (z. B. Carbon-Footprint-Berechnung von Endprodukten wie Eiern und Schweinefleisch). Der CO-Fußabdruck tierischer Produkte wird wesentlich von den Futtermitteln bestimmt und kann durch Umstellung auf Donau-Soja um bis zu 40% gesenkt werden. Die Zertifizierung von Donau-Soja bedingt entwaldungsfreie Anbauflächen, transparente Lieferketten, 100%ige kontrollierte Gentechnikfreiheit sowie Nachhaltigkeit. Donau-Soja setzt Schwerpunkte zur besseren Vernetzung in Europa und entlang der Wertschöpfungsketten, wie z. B. die wettbewerbliche Kooperation im Bereich der Sojazüchtung. Beispiele sind ein internationales Sojaexperiment mit China sowie das EU-Projekt „Horizont“. Ziele sind die Effizienzsteigerung bei der Sojaverarbeitung und -verfütterung durch Qualitätskontrolle mittels NIRS-Technik, die Entwicklung einer eigenen Isotopendatenbank zur besseren Herkunftssicherung von Sojabohnen sowie der Ausbau der Wissensplattform „Legume Hub“. Laut EU Protein Balance Sheet stammen nur 36% der eiweißreichen Futtermittel aus der EU (Schrote aus Ölsaaten, Trockenschlempe etc.). Die Importe kommen zumeist aus Brasilien und Argentinien (rd. 70%) und aus den USA (rd. 18%). Importe bedeuten jedoch häufig den Verlust von Ökosystemen, z. B. im Amazonasgebiet und in der Region Cerrado. Laut World Resources Institute wurden im Zeitraum 2000–2015 weltweit 8,2 Mio. ha tropischer Wald für den Sojaanbau gerodet, praktisch zur Gänze in Südamerika. Hinzu kommen die Missachtung der Rechte indigener Völker, gesundheitliche Risiken für Anrainer, die Degradation der Böden sowie intransparente Lieferketten. Die Lösung wäre zertifiziertes Soja. Die Sojaanbaufläche in Europa hat zwischen 2011 und 2021 um 82% zugenommen. Auch werden mittlerweile gute Sojaerträge erzielt. Die Ausweitung der Kulturfläche hat positive Auswirkungen auf Umwelt und andere Pflanzen in der Fruchtfolge:
- Der Bodenzustand ist günstig für den Anbau der Folgekulturen („Vorfruchtwert“).
- Ein günstiges C:N-Verhältnis in der Biomasse der Ernterückstände fördert das Bodenleben.
- Soja bringt mehr Diversität in Fruchtfolgen und reduziert das Risiko für Krankheiten, Schädlinge und Problemunkräuter (Beispiele: Halmbruch bei Weizen, Ackerfuchsschwanz, Maiswurzelbohrer).
- Soja braucht keine N-Düngung und kann ohne Fungizide und Insektizide angebaut werden.
Schon heute könnten in Deutschland ca. 2 Mio. t Sojabohnen pro Jahr produziert werden. Damit ließen sich 40–50% des heimischen Bedarfes decken. Nur nachhaltige und gentechnikfreie Märkte erlauben den Aufbau einer unabhängigen europäischen Eiweißversorgung. Eine Zerstörung dieser Märkte ist kontraproduktiv und vergrößert in Europa die Importabhängigkeit von Soja, mahnte Leopold Rittler zum Ende seines Vortrages.
Proteine aus Algen
„Algen: Proteinlieferant aus dem Wasser“ – so lautete das Vortragsthema von Dr. Stephan Ende vom Alfred-Wegener-Institut (AWI), Bremerhaven. Zunächst stellte der Referent das Institut vor. Es ist international führend in der Polarforschung und liefert signifikante Beiträge in der Klima- und Küstenforschung zum Verständnis der Veränderlichkeit der globalen Umwelt und des Erdsystems. Des Weiteren erarbeitet es wissenschaftliche Grundlagen für politische Entscheidungen und stellt polare und marine Infrastruktur bereit.
Pilze als Proteinträger
Katrin Ochsenreither von der Technikum Laubholz GmbH, Blaubeuren, folgte mit ihrem Vortrag „Pilze als alternative Proteinträger“. Fleisch leistet weiterhin einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Ernährung. Laut FAO und IFIF werden jährlich mehr als 1 Mrd. t Tierfutter produziert – stark zentralisiert und in nur wenigen Ländern. Tierfutter ist deshalb wichtiger Bestandteil der integrierten Nahrungskette. Die lokale Produktion von hochwertigen Proteinquellen für die tierische und menschliche Ernährung verringert Abhängigkeiten, verkürzt Transportwege und könnte nachhaltiger erfolgen. In der Landwirtschaft sind Pilze durchaus eine Alternative. Sie sind, ebenso wie Pflanzen, in der Lage, aus Ammonium- und Nitratsalzen hochwertige Proteine neu aufzubauen. Tiere und Insekten dagegen konzentrieren und veredeln lediglich vorhandene Proteine. Die Produktion von pilzlicher Biomasse erfolgt im Bioreaktor; Ackerfläche wird somit nicht benötigt. Die Kultivierungszeiten sind kurz und unabhängig von Wachstumsperioden und Klima. Pilze sind weder Tiere noch Pflanzen. Sie bilden ein eigenes „Reich“ und können noch am ehesten den Mikroorganismen zugeordnet werden. Was man landläufig unter Pilzen versteht, sind die Fruchtkörper der höheren Pilze, die auf feuchten Böden im Wald und auf Wiesen zu finden sind. Der Fruchtkörper ist jedoch nur ein winziger Teil des Pilzes und wird auch nur unter bestimmten Bedingungen gebildet. Der weitaus größte Teil des Pilzes wächst hingegen als feinfädiges Hyphengeflecht, gemeinhin auch als Schimmel bezeichnet. Dieses Geflecht ist unter den Pilzen im Waldboden zu finden, wo es sich weiträumig, zum Teil über mehrere Hektar, ausbreitet. Wachsen Pilze in einzelliger Form, dann spricht man von Hefen. Hefen bilden keine separate Abteilung innerhalb der Pilze, sondern sind in allen Untergruppen zu finden. Die Fruchtkörper bilden, wie bereits dargelegt, lediglich einen kleinen Teil des gesamten Pilzes und nur wenige essbare Pilze lassen sich kommerziell anbauen. Sie besitzen einen relativ niedrigen Proteinanteil. Anders sieht es bei der filamentösen und der Hefe-Form aus: Diese sind im Bioreaktor kultivierbar und werden in fermentierbaren Lebensmitteln eingesetzt. Ihr Proteingehalt ist höher. Die Proteinquelle aus dem Myzel wird als Mycoprotein bezeichnet, jene aus der Hefeform als Einzellerprotein.
Einzellerprotein
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Bierhefereste nach der Vergärung als Viehfutterersatz genutzt. Dies war so erfolgreich, dass sie auch für die menschliche Ernährung eingesetzt werden konnten. Die verfügbare Menge war hierfür allerdings nicht ausreichend. Deshalb wurde damit begonnen, durch gezielte Fermentation Hefe herzustellen. Diese hat im Zweiten Weltkrieg tatsächlich als Soldatenverpflegung gedient. Ab den 1960er-Jahren lief dann die Produktion von hochwertigen Proteinen für die menschliche und tierische Ernährung an: Grundstoffe waren Hefen (und andere Einzeller) aus niedrigpreisigen Neben- bzw. Abfallströmen nach dem Prinzip „zero waste“. Das Einzellerprotein ist im Ernährungswert vergleichbar mit dem Sojaprotein. Zwar verfügt es über weniger schwefelhaltige Aminosäuren (Methionin, Cystein), ist dafür aber sehr reich an Lysin und Threonin.
Bierhefe
Bierhefe ist ein Nebenprodukt der Bierherstellung und reich an B-Vitaminen und Mineralstoffen. Sie kann als Futter für Schweine, Wiederkäuer, Geflügel und Fisch verwendet werden. Bierhefe besitzt einen hohen Gehalt an Nukleinsäure (6–8%) und enthält bis zu 33% des Stickstoffes, welches kein Problem für Wiederkäuer ist, allerdings problematisch für monogastrische Säuger. Da die Bierhefe bereits bei der Bierherstellung mit Hopfen in Verbindung gekommen ist, muss sie entbittert werden und steht dann in flüssiger oder getrockneter Form zur Verfügung.
Lebendhefe
Aktive Trockenhefen werden üblicherweise allein oder in Kombination mit nützlichen Bakterien in probiotischen Produkten verwendet. Andere wichtige Erzeugnisse auf Hefebasis enthalten nutrazeutische Verbindungen, die in Hefezellen und Zellwänden vorhanden sind (z. B. ß-Glucane, Mannan-Oligosaccharide, Nukleotide), von denen allgemein gezeigt wurde, dass sie die Wachstumsleistung und Gesundheit von Tieren verbessern. Spezielle Hefeprodukte wie Selenhefe (hoch konzentrierte und verfügbare Selenquelle) und Phaffia-rhodozyma-Hefe (enthält Pigmente, welche die Fleischfarbe von Lachs und Forelle verbessern) werden einigen Tierfuttermitteln zugesetzt.
Mycoprotein
Mycoprotein ist eine Form des Einzellerproteins pilzlichen Ursprunges und sowohl für die menschliche als auch für die tierische Ernährung geeignet. Die Forschungen dazu begannen bereits in den späten 1950er-Jahren – aus Sorge vor einer Knappheit an hochwertigem Protein bzw. zur Sicherung der Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung. Damals war man auf der Suche nach einer hochwertigen Proteinquelle, die günstig und in großen Mengen produzierbar ist sowie einen hohen Proteingehalt und essenzielle Aminosäuren aufweist. Sie sollte eine fleischähnliche Textur haben, hohe Wachstumsraten ermöglichen sowie in Fermentern kultivierbar sein. Zum Abschluss ihres Vortrages ging die Referentin noch kurz auf die Herstellung von Mycoprotein in einem Wärmereaktor ein.
Leguminosen
Danach waren dann die Leguminosen das Thema: „Vom Acker bis in den Trog“ – so lautete der Titel des Vortrages von Dr. Reinhard Puntigam und Martin Schäffler von der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft. Dr. Puntigam hatte sich per Video zugeschaltet. Die energie- und nährstoffangepasste, also bedarfsgerechte Tierernährung kann als Bilanz verstanden werden. Es gilt, das Soll (= den Nährstoffbedarf eines Nutztieres bei einem bestimmten Leistungsniveau) mit dem Haben (= dem Nährstoffliefervermögen der kalkulierten Ration) optimal in Einklang zu bringen. Während eine Unterschreitung im Soll mit einer Minderung der tierischen Leistung einhergeht, resultiert die Überschreitung im Haben in einer gesteigerten Umweltbelastung (z. B. durch Ammoniak) sowie einer verminderten Ressourceneffizienz. Somit ist es entscheidend, bei der Rationskalkulation nicht nur die tierische, sondern auch die nährstoffliche Leistung der Einzelfuttermittel bestmöglich einzuschätzen. Schlussendlich ist es das Ziel, die umsetzbare Energie sowie die praecaecal verdaulichen Aminosäuren zu einem hochwertigen tierischen Lebensmittel zu transformieren. War in der Vergangenheit die Kombination aus Sojaextraktionsschrot und Getreide in den heimischen Trögen von Schweinen und Geflügel vorherrschend, so rückt aktuell vermehrt der Einsatz heimisch erzeugter und verarbeiteter Leguminosen in den Fokus der Rationsgestaltung.
Sojakuchen, Ackerbohne, Erbse und Lupine bis hin zu Luzerne und Rotklee sind auf dem Vormarsch und erweitern, neben einer Schließung der heimischen Eiweißlücke, den Blick über den Trogrand hinaus (z. B. hinsichtlich einer vorteiligen Wirkung in der Fruchtfolge sowie der futtermitteltechnologischen Verarbeitung). Wichtig bleibt dabei immer: Was man nicht misst, kann man nicht steuern! Eine Vielzahl von Analysedaten verdeutlicht die Bandbreite im Nährstoffgehalt der genannten Einzelfuttermittel und untermauert die Wichtigkeit der Nährstoffanalyse als Basis der Rationskalkulation. Die zusätzliche Anpassung mittels kristalliner Aminosäuren garantiert eine bedarfsgerechte Tierernährung und ermöglicht eine hohe Leistungsfähigkeit unter Einsatz heimischer Eiweißfuttermittel. Strategien der futtermitteltechnologischen Verarbeitung zur Steigerung der Nährstoffverdaulichkeit werden ebenfalls erprobt. Das Schälen und Toasten sowie die Vermahlung nehmen in der Verarbeitung großkörniger Leguminosen eine bedeutende Rolle ein. Speziell die optimierte Aufbereitung der Sojabohne im Zuge der dezentralen Verarbeitung steht hierbei im Fokus.
Neben den genetischen und chemischen Eigenschaften (Gehalte an Trypsininhibitoren, reduzierenden Zuckern etc.) versucht man, auch die physikalischen Eigenschaften (z. B. Bohnengröße) zur optimalen Einwirkung von Temperatur und Zeit bei der Toastung zu berücksichtigen. Ziel ist dabei stets, sowohl eine Über- als auch eine Unterprozessierung zu vermeiden. Ein wertvolles Tool zum „intelligent processing“ stellt hierbei die Anwendung der Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) dar. Der Einsatz von NIRS zur optimierten Aufbereitung durch gezielten Temperatureintrag für eine bestimmte Zeitspanne, die anschließende Evaluierung der Parameter der Unter- und Überprozessierung (Proteinlöslichkeit) sowie die Anwendung bei der Rationsgestaltung ermöglichen eine kosten- und zeiteffiziente Nutztierernährung vom Feld bis in den Trog. Neben großkörnigen könnten auch kleinkörnige Leguminosen (z. B. Klee und Luzerne) verstärkt Anwendung in der Schweine- und Geflügelernährung finden. Forschungsarbeiten zum Entblättern der Luzerne bis hin zur Herstellung von hochwertigen Proteinkonzentraten in der Bioraffinerie stellen PraktikerInnen und WissenschaftlerInnen vor herausfordernde Fragestellungen. Die Anwendung standortangepasster Landnutzungssysteme unter Einsatz futtermitteltechnologischer Verfahren sowie die energie- und nährstoffangepasste Rationskalkulation durch Messen und Steuern leisten einen grundlegenden Beitrag zur nachhaltigen Tierernährung und Erzeugung hochwertiger tierischer Lebensmittel. Merke: Ein Futtermittel kann immer nur so gut sein wie seine Inhaltsstoffe!
Hanf als Futterpflanze
Der zweite Veranstaltungstag drehte sich um den Themenblock „Heimische Proteinträger und andere Alternativen“.
Der erste Vortrag von Prof. Jürgen Zentek vom Institut für Tierernährung der FU Berlin befasste sich mit dem Thema „Hanf – Pharma oder Futter“. Die Hanfpflanze ist sowohl für die Pharma- als auch für die Futtermittelbranche interessant. Man unterscheidet zwischen Drogenhanf und Faserhanf. Diese Differenzierung kann nur chemisch vorgenommen werden; phänotypisch sind beide Varianten nicht unterscheidbar. Zu den ausdrücklich nicht in Futtermitteln zugelassenen Hanferzeugnissen gehören
- Cannabidiol
- Hanfdestillat oder -solubles (die als nicht zugelassene Zusatzstoffe gelten)
- Hanfblüten (rechtlich kein Futtermittel-Ausgangserzeugnis).
Nutzhanf wird im EU-Register nicht geführt und wurde als Einzelfuttermittel zurückgewiesen, was einem Verbot gleichzusetzen ist. Die Wirkungen von THC und CBD sind beim Nutzhanf eher im Bereich der Zusatzstoffe einzustufen. Hanf wird im Betäubungsmittelgesetz geführt. Der Anbau von Nutzhanf muss bei den Behörden angezeigt werden (§ 24a BtMG). Hanfkuchen ist als eher unverdächtig einzustufen, aber eine genaue Erklärung hierzu ist derzeit in der Diskussion. Zugelassene Faserhanfsorten enthalten nur geringe Mengen der psychoaktiv wirkenden Substanz Tetrahydrocannabinol (THC).
Hanferzeugnisse mit erhöhten THC-Gehalten können die Tiergesundheit beeinträchtigen. In der Tierernährung finden überwiegend Hanfsamen und -kuchen Verwendung. In Hanfsamen befindet sich pansenschützendes Protein. Für Legehennen können bis zu 30% Hanfsamen im Futter eingesetzt werden. Rohe Hanfsamen führten im Gegensatz zu hitzebehandelten zu einer Abnahme des Eigewichtes sowie der Futteraufnahme. Des Weiteren bewirken sie einen Anstieg der mehrfach ungesättigten und eine Verminderung der einfach ungesättigten Fettsäuren. Broiler können 5 bzw. 7,5% Hanfsamen im Futter aufnehmen. Bei Geflügel sind hohe Anteile (bis zu 20%) an Hanfkuchen, -mehl und -extraktionsschrot im Futter möglich, bei Mastschweinen >24% und bei Rindern >1 kg in der Mast. Bis zu 32% sind es in der Ration für Milchkühe. In seinem Resümee folgerte Dr. Zentek, dass Hanfanbau aus Sicht des Pflanzenbaues und der Tierernährung durchaus interessant ist. Der Kenntnisstand über den Einsatz in der Tierernährung ist allerdings noch sehr gering. Ein praktisches Problem ist der Graubereich der rechtlichen Einordnung.
Insektenproteine
Industrielle Produktion von Insektenprotein und -fett für die Futtermittelindustrie“ – das war anschließend das Thema des Vortrages von Wolfgang Westermeyer von der FarmInsect GmbH, Bergkirchen. Für eine nachhaltige Zukunft muss die Landwirtschaft neu überdacht werden. Der weltweite Nahrungsbedarf steigt bis 2050 um über 50%. Haupttreiber sind Bevölkerungswachstum und Fleischkonsum. Der Bedarf an Proteinfuttermittel wird bis 2050 um über 40% zunehmen. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, muss die landwirtschaftliche Fläche über 50% Mehrertrag liefern. Gleichzeitig werden immer noch enorme Mengen von Lebensmitteln im Müll entsorgt:
- 88 Mio. t Lebensmittelabfälle entstehen jedes Jahr in der EU (Wert: 143 Mrd. Euro).
- 20–30% der erzeugten Lebensmittel landen im Müll.
- 95% der Lebensmittelabfälle werden in Deponien entsorgt.
Insekten bieten eine nachhaltige Lösung zur Proteinversorgung der Zukunft. Durch die Kreislaufwirtschaft kann nachhaltiges Tierfutter erzeugt werden. Regionale Rohstoffe sind sehr gut als Futtermittel geeignet, da keine langen Transportwege entstehen. Es können bis zu 50% COeingespart werden. Der hohe Futterwert ist vergleichbar mit jenem von Fischmehl. Allerdings ist Insektenmehl derzeit noch zwei- bis dreimal so teuer wie Fischmehl. Eine erste Pilotanlage bei Farminsect läuft seit mittlerweile zwei Jahren erfolgreich. Jüngst wurden 500000 Euro in den Umbau einer neuen Insektenproduktionslinie investiert.
Die Herausforderung bestand in der Klimatechnik. Ziel war, ein trockenes Substrat zu erhalten, das sich gut sieben lässt. Dazu wurden 8 m lange Klimakammern benötigt. Je nach Fütterungsstrategie werden 150–200 W/m² Wärme erzeugt. Umluftventilatoren treiben die Luft so lange um, bis sie gesättigt ist. Sie strömt gleichmäßig über alle Kisten. Eine stundengenaue Abstimmung von Temperatur, Feuchte, Luftumschlag und CO2 wirkt sich auf den Lebenszyklus der Tiere aus. Des Weiteren hat die Anlage eine Fernüberwachung und bei Bedarf kann ein Alarmsystem integriert werden. Mit einem Wärmetauscher lassen sich bis zu 50% der Abwärme zurückgewinnen. Die Aufzucht der Insekten kann jetzt direkt bei Landwirten erfolgen, da die Anlage automatisiert arbeitet. Farminsect begleitet die Produktion über mehrere Wochen.
Hanfextraktion
„Hanfextraktion – was ist möglich?“ Zu diesem Thema referierte Christoph Markmann von der DEVEX Verfahrenstechnik GmbH, Warendorf. Die Kultivierung von Nutz- bzw. Industriehanf erfreut sich in Deutschland wachsender Beliebtheit. Der Anbau ist bis max. 0,2% THC-Gehalt stark reglementiert. Hierzulande sind derzeit 42 Sorten mit CBD-Gehalten bis max. 2,7% zugelassen. Inhaltsstoffe wie Cannabinoide, Proteine, Aminosäuren, Terpene, Zucker, Alkohole, Flavonoide, Vitamine, Hydrocarbone, Aldehyde, Fettsäuren und Fasern finden sich in verschiedenen Pflanzenbestandteilen. Medizinisch relevante Stoffe sind im Bereich der Blüten auf den Trichomen (= Pflanzenhaaren) angesiedelt, Proteine eher in den Hanfsamen. Je nach Nutzung lassen sich verschiedene Züchtungen ableiten – entweder in Richtung Cannabisgewinnung (Droge, Medizin) oder als Nutzhanf. Cannabinoide und Terpene sind zurzeit stark diskutierte Inhaltsstoffe der Hanfpflanze. Cannabinoiden wie THC, CBD, CBN etc. wird medizinischer Nutzen nachgesagt, welcher teilweise tatsächlich nachgewiesen ist. Terpene sind ätherische Öle und können im Pflanzenschutz Anwendung finden. Beide Stoffgruppen lassen sich mithilfe verschiedener Methoden aus Nutzhanf, vor allem aus dessen Blüten und Trichomen, extrahieren. Die Extraktion ist ein Prozess, bei dem unter Einsatz eines Lösemittels unterschiedliche Stoffe aus einem Stoffgemisch (z. B. einer Pflanze) herausgelöst werden. Neben einem geeigneten Lösemittel erfordert das Verfahren i. d. R. bestimmte Temperaturen und Drücke sowie weitere Parameter. Die vor allem bei der Pflanzenextraktion am häufigsten genutzten Lösemittel sind Wasser und Ethanol. Der wohl bekannteste Extraktionsprozess ist das „Kochen“ von Kaffee oder Tee mit heißem Wasser. Nach der Extraktion kann der Trester weiter genutzt werden; abhängig von der Extraktionsmethode lassen sich daraus noch weitere Inhaltsstoffe isolieren. Trester kann aber auch als Futtermittel dienen, sofern er lösemittelfrei ist (er enthält auch noch Cannabinoide und andere für das Tier wertvolle Stoffe). Gegenstand der Forschung sind aktuell die Isolation von Protein nach Extraktion sowie die Auswirkungen auf das Tierwohl bei Nutzung des Tresters als Futtermittel.
Patrick Sudwischer von der IFF Braunschweig sprach anschließend über „Alternative Proteinträger aus Insekten – Verfahren zur Aufbereitung und mögliche Produkte“. Im letzten Vortrag ging es um „Körnerleguminosen in der Fütterung“. Darüber sprach Jan Berend Gernot Lingens von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Institut für Tierernährung, Hannover. Zum Abschluss der Tagung fand eine Diskussionsrunde zu alternativen Proteinträgern der nahen Zukunft statt. Schließlich ergriff dann Prof. Werner Sitzmann das Wort und verabschiedete die Besucher mit einem Dank für ihre Teilnahme und Fachbeiträge.